Die tschagataische Handschriftensammlung in der Staatsbibliothek zu Berlin

Tschagataisch ist eine spätmittelalterliche Turksprache, die in Zentralasien weit verbreitet war. Das Wort selbst geht auf den Namen eines der Söhne Dschingis Khans zurück, Tschagatai Khan (um 1186-1242). Als zweiter und angeblicher Lieblingssohn des Welteroberers nahm er an der Einnahme Turkistans durch die Mongolen teil. Bei der 1229 auf einem so genannten Kuriltai beschlossenen Reichsteilung bekam er jene Gebiete als “Ulus” zugesprochen, die sich von der Wüste Gobi im Osten bis zum Aralsee im Westen und vom Altai-Gebirge bis hinunter nach Afghanistan erstrecken. Das Tschagatai-Khanat hatte, wenn auch mit Einschränkungen, bis zum siebzehnten Jahrhundert Bestand. Die Sprache dieses Staatsgebildes, das Tschagataische, zählt trotz ihres mongolischen Namens zu den türkischen Idiomen und war eine Literatursprache, die sich in dem besagten Zeitraum aus dem Alt-Uigurischen entwickelt hat – also aus der Sprache der alten, noch buddhistischen Uiguren. Tschagataisch stand unter starkem Einfluss arabischer und persischer Elemente und wurde in der Regel mit dem persisch-arabischen Alphabet notiert. Im Vergleich zu anderen turkologischen Forschungsfeldern ist das Tschagataische übrigens, jedenfalls in Europa, verhältnismäßig wenig erforscht. Die modernen Turksprachen Usbekisch und Uigurisch haben sich aus dieser Sprache entwickelt.

Die Staatsbibliothek verfügt über etwas mehr als 190 Manuskripte in tschagataischer Sprache. Gemessen an der gewaltigen Zahl der übrigen islamischen Handschriften (ca. 17.000) ist der Umfang dieser Sammlung damit natürlich relativ gering. Tschagataische Handschriften sind auf sehr unterschiedlichen Wegen aus dem Orient in die Berliner Bibliothek gekommen. Seit 1817 wurden sie von verschiedenen Gesandten, Gelehrten, Buchhändlern oder Antiquaren wurde eine tschagataische Handschrift erworben. Zu nennen sind etwa Heinrich Friedrich Diez, Julius Heinrich Petermann, Aloys Sprenger und Martin Hartmann. Die meisten der tschagataischen Handschriften im Besitz der Staatsbibliothek gehören zur “Sammlung Hartmann” (133 Titel), die im Jahre 1905 angekauft wurde. Zwei Objekte aus dieser Sammlung sind während des Zweiten Weltkriegs verloren gegangen. Hartmann hatte die Handschriften während seines Aufenthalts von 1902-1904 in Kaschgar und Yarkand im westlichsten Zipfel des heutigen Xinjiang gesammelt. Einige wenige stammen aus Taschkent und Baku. Ein Verzeichnis der tschagataischen Handschriften, das Hartmann 1904 selbst erstellt hat, ist noch vorhanden.

Eine Abbildung von insgesamt fünf Illustrationen aus der Handschrift Diwan Mir Ališer Nawa’i (Ms. or. quart. 1570, f. 157r)

Auch Johannes Awetaranian (1861-1919), ein in Ostanatolien geborener christlicher Missionar türkischer Abstammung, und der Berliner Tibetologe Georg Huth haben tschagataische Handschriften aus Xinjiang zusammengetragen.

Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts befanden sich etwa 170 tschagataische Manuskripte im Besitz der Staatsbibliothek. Die Sammlung wurde im Nachhinein nicht wesentlich erweitert. Erst in den 90er Jahren wurde eine tschagataische Handschrift erworben.

Der Anfang der Handschrift Diwan Mir Ališer Nawa’i ist mit einem sog. „Unwan“ verziert (Ms. or. quart. 1570, f. 1v)

Turkologen haben die Entwicklung der tschagataischen Sprache in drei Perioden eingeteilt. Die vorklassische Zeit umspannt den größeren Teil des fünfzehnten Jahrhunderts (1400-1465). Nur eine tschagataische Handschrift aus dem Berliner Bestand stammt aus dieser frühen Zeit, das Mahzan ul-Asrar, die “Schatzkammer der Geheimnisse.” Das Bemerkenswerte an dieser Handschrift ist, dass die Sprache zwar Tschagataisch ist, sie aber in vorislamischer alt-uigurischer Schrift niedergeschrieben wurde. Die Kombination islamischen Gedankenguts mit alter Schrift buddhistischen Ursprungs ist sehr selten. Werke, auf die diese Kombination aus alter Schrift und neuem Glauben zutrifft, gibt es weltweit nur wenige.

Auf die vorklassische folgt die klassische Periode (1465-1600). Dichter wie Mir Ališer Nawa’i, Husayn Bayqara und Babur stehen für das literarische Schaffen dieser Zeit. Typische Beispiele dafür sind: die Külliyat des Nawa’i, oder der Diwan des Sultans Husayn Bayqara sowie der Diwan Ališer Nawa’i.

Die nachklassische Periode reicht bis ins frühe zwanzigste Jahrhundert (1600-1921). Leider gibt es nur wenige Werke literarischer Natur, die eindeutig dieser Epoche zuzuordnen sind. Was uns vorliegt, ist meist eher profanen Inhalts, so ein Gerichtsprotokoll aus dem Jahre 1892 oder ein Handelsbuch von 1903.

Bei orientalischen Handschriften haben wir es praktisch immer mit Abschriften von Abschriften, also nicht mit originalen Autographen im heute geläufigen Sinne zu tun. Manche Handschriften sind eigens auf Wunsch der Sammler kopiert oder gelegentlich von den Sammlern eigenhändig abgeschrieben worden. Zum Teil wurden Werke zentralasiatischer Provenienz gar nicht vor Ort, sondern in Konstantinopel oder Herat hergestellt und haben erst von dort ihren Weg nach Zentralasien zurückgefunden.

Handschriften lassen sich etwa zu 15 Prozent dem sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert zurechnen. Die meisten, etwa 80 Prozent, sind dem neunzehnten Jahrhundert zuzuordnen. Die verbleibenden fünf Prozent lassen sich nicht eindeutig bestimmen. Sachlich können die Manuskripte folgenden Gruppen zugeteilt werden: klassische Literatur, hagiographische Literatur, religiöse Schriften, verschiedene “Risalas” -Schriften, die Verhaltensregeln für bestimmte soziale Gruppen formulieren – medizinische Werke, Wörterbücher.

Alle tschagataische Handschriften werden bald in der seit letztem Jahr online gestalteten Datenbank der Berliner orientalischen Handschriften (http://orient-digital.staatsbibliothek-berlin.de) zu finden sein.

Zwei neue japanische Datenbanken

Seit November stehen registrierten Nutzerinnen und Nutzern von CrossAsia zwei neue Angebote aus Japan zur Verfügung.

Fûzoku gahô 風俗画報

Die Zeitschrift Fûzoku gahô (Web版 風俗画報 (JK Books)) erschien in der Meiji-/Taishô-Zeit in den Jahren 1889 bis 1916. Sie ist mit zahlreichen ein- oder mehrfarbigen Darstellungen sowie in ihrem späteren Verlauf auch mit Schwarzweiß-Fotos reich bebildert und gilt als die erste illustrierte japanische Zeitschrift. Die Datenbank umfasst alle 518 Hefte in PDF-Form. Eine Volltextsuche ist nicht möglich, aber es kann nach Autoren und Stichworten der Artikelüberschriften sowie nach einzelnen Heftnummern gesucht werden.

Fûzoku gahô, Nr. 336, 10.03.1906, o.S.

Das Themenspektrum der Zeitschrift ist breit gefächert. Es werden damalige aktuelle Ereignisse aufgegriffen, wie z.B. Erdbebenkatastrophen, die Verkündung der Meiji-Verfassung, Kriegsentwicklungen etc. Über kulturelle, religiöse und sportliche Events wie Sumô-Turniere, Schrein- und Tempelfeste oder Jôruri-Aufführungen wird ebenso berichtet, wie z.B. über eine Kabuki-Vorstellung anläßlich des Besuchs des englischen Prinzen Arthur, Herzog von Connaught und Strathearn, im März 1906.

Zôfukuin bunko zenpon shûsei 増福院文庫善本集成

Die Sammlung Zôfukuin bunko zenpon shûsei DVD-ROMhan (増福院文庫善本集成  DVD-ROM版) bietet Manuskripte und gedruckte vormoderne Bücher, die sich ursprünglich im Besitz des Tempels Zôfukuin vom Berg Kôya befunden hatten und die seit 1989 in der Kôyasan-Bibliothek der Kôyasan Universität (高野山大学附属高野山図書館) aufbewahrt werden.

Anfang von Dokument Nr. 157: Hyôbyakushû (表白集)

Die Sammlung umfasst 12 DVDs, welche sowohl buddhistische Lehrtexte der Shingon-Schule sowie deren Auslegungen, als auch im Zusammenhang mit der Lehre des Shintô verfasste Materialien, liturgische Texte sowie shômyô (声明)-Notationen. Als Angebot über CrossAsia wurde die DVD Nr. 3 lizenziert, welche neben Texten, die dem Begründer der Shingon-Schule, Kûkai, zugeschrieben werden, auch eine Biographie des Buddha umfasst und diverse Ritualtexte (hyôbyaku 表白, kôshiki 講式 und saimon 祭文), shômyô-Manuskripte und mündliche Instruktionen (kuden 口伝) beinhaltet.

Eine neue ProQuest-Datenbank

Neben der Datenbank Dissertations & Theses Full Text aus dem Hause ProQuest LLC – der „weltweit umfassendsten Sammlung von Dissertationen und Abschlussarbeiten aus der ganzen Welt von 1861 bis heute“ – bietet CrossAsia seit jüngster Zeit nun auch den Zugang zur Datenbank Historical Newspapers: Chinese Newspapers Collection (1832-1953) desselben Anbieters. Die Datenbank versammelt 21 historische Zeitungen in englischer Sprache, die zwischen 1868 und 1953 in China v.a. im Umfeld christlicher Mission erschienen sind, darunter so bedeutende wie The Chinese Recorder und The China Weekly Review.  Die Zeitungen bieten ein Abbild des zeitgenössischen China. Vor dem Hintergrund wachsender Verbreitung westlicher Technologie und Religion berichten sie über die Anfänge der Missionsschulen vor Ort, ökumenische Konferenzen, den Kreuzzug gegen das Opium, die Revolution von 1911, das Erstarken der chinesischen Kirche und schließlich die Entstehung des Kommunismus in China, widmen sich zugleich aber auch Themen aus den Bereichen der chinesischen Gesellschaft, Sprache und Kultur.

Banner The Chinese Recorder (Vol. XLIV, Jan. 1913, no.1)

 

Banner The China Weekly Review (Vol. XXV, No. 4, 23. Juni 1923)

Die Datenbank ermöglicht sowohl Standard- als auch erweiterte Suche, bei letzterer kann die Suche auf 25 verschiedene Dokumententypen wie Artikel, Banner, Geburtsanzeige, Kleinanzeige etc. eingegrenzt werden. Volltextsuche ist möglich, Suchergebnisse können im PDF-Format heruntergeladen werden.

Anzeige aus: The China Press (1925-1938); Nov. 3, 1933

Die Datenbank ist eine willkommene Ergänzung anderer bereits für CrossAsia lizenzierter Datenbanken, die vergleichbare Quellen versammeln, wie z.B. China: Trade, Politics and Culture 1793-1980, mit englischsprachigen Dokumenten betreffend die Beziehungen Chinas  zum Westen und umgekehrt, sowie Dokumenten aus missionarischem Umfeld auf der einen Seite,  und zwei chinesischen Datenbanken mit originalsprachigen Periodika:晚清期刊、民国时期期刊全文数据库 : 1833-1949 Chinese Periodical Full-text Databases und 大成老旧刊全文数据库 : Dacheng Old Periodicals database auf der anderen Seite.

Neuer Service

Ab sofort bieten wir Ihnen auf unseren Homepageseiten einen Service, den Sie sich wiederholt gewünscht hatten: die Möglichkeit, sich über die aktuell erworbenen Titel der Ostasienabteilung zu informieren. Die neue Funktionalität befindet sich in der Navigation unter „Recherche und Ressourcen“ und heißt „Neuerwerbungen“ (auf den englischen Seiten unter „Search“: „Recent Acquisitions“).

Sie verzeichnet unter dem Reiter „Aktuell“ („Current“) für die beiden Halbjahre des jeweils laufenden Kalenderjahrs die neuen Titel der Ostasienabteilung in westlichen Sprachen, unterteilt nach Land, Region und Thema.

Ältere Einträge werden künftig in einem bereits angelegten Archiv zu finden sein, das sich nach und nach füllen und jahrgangsweise erweitern wird. Diese Funktionalität kann beispielsweise auch für Institutsbibliotheken als Orientierungshilfe für die eigene Akquisition dienen.

Hintergrundbild

Das Hintergrundbild des heutigen Newsletters stammt aus dem Diwan Mir Ališer Nawa’i, einer Gedichtsammlung des Dichters Mir Ališer Nawa’i. Der Text stammt aus dem 19. Jh., die Illustration im alten Stil hingegen aus dem 20. Jh. (Signatur: Ms. or. quart. 1570, f. 157r). In der Illustration sieht man ein Liebespaar vor einem Zelt eng umschlungen beisammen sitzen. Im Hintergrund versucht ein Mann, ein wild gewordenes Pferd zu bändigen (VOHD 16,1, 1577). Die Handschrift wurde bereits digitalisiert und befindet sich in der seit letztem Jahr online gestalteten Datenbank der Berliner orientalischen Handschriften (http://orient-digital.staatsbibliothek-berlin.de/).

中國邊疆史地研究資料數據庫 verfügbar

Ab heute steht 中國邊疆史地研究資料數據庫 (China’s Borderland History and Geography Studies Database) über CrossAsia zur Verfügung.

中國邊疆史地研究資料數據庫 bietet Zugang zu Materialien zu den Grenzregionen Chinas (Geschichte, Geographie). Die Materialien stammen aus Bibliotheken und Forschungseinrichtungen Chinas. Der Zugang ist über die Seite der CrossAsia-Datenbanken zu finden. Zugang direkt (nach CrossAsia Anmeldung): http://erf.sbb.spk-berlin.de/han/borderland

CrossAsia

Chinese Newspapers Collection verfügbar

CrossAsia bietet Zugang zu der Chinese Newspapers Collection (1832-1953).

Die Datenbank ist ab heute verfügbar und kann in der Liste der Datenbanken gefunden werden bzw. direkt hier aufgerufen werden:

http://erf.sbb.spk-berlin.de/han/hnpchina/

Die Datenbank bietet Zugang zu folgenden Zeitungen:

The Canton Times (1919-1920),
The China Critic (1939-1946),
China Monthly Review (1950-1953),
The China Press (1925-1938),
The China Weekly Review (1923-1950),
The Chinese Recorder (1912-1938),
The Chinese Recorder and Educational Review (1939-1941),
The Chinese Recorder and Missionary Journal (1868-1912),
The Chinese Repository (1832-1851),
Millard’s China National Review (1919-1919),
Millard’s Review of the Far East (1917-1919, 1919-1921),
The North – China Herald (1850-1867),
The North – China Herald and Market Report (1867-1869),
The North – China Herald and Supreme Court & Consular Gazette (1870-1941),
Peking Daily News (1914-1917),
Peking Gazette (1915-1917),
The Peking Leader (1918-1919),
The Shanghai Gazette (1919-1921),
The Shanghai Times (1914-1921),
The Weekly Review (1922-1923),
and, The Weekly Review of the Far East (1921-1922).

Zwei neue japanische Datenbanken

Seit heute bietet CrossAsia Zugriff auf die Zeitschrift Fûzoku gahô und eine Sammlung von Texten aus dem Zôfukuin vom Berg Kôya.

Für registrierte Nutzerinnen und Nutzer von CrossAsia stehen nun zur Verfügung:

Webhan Fûzoku gahô (JK Books) (Web版 風俗画報 (JK Books)): Japans erste illustrierte Zeitschrift, erschienen von 1889 bis 1916. Die Datenbank umfasst alle 518 Hefte als PDFs.

Zôfukuin bunko zenpon shûsei DVD-ROMhan (増福院文庫善本集成 DVD‐ROM版): Manuskripte und gedruckte vormoderne Bücher ursprünglich aus dem Besitz des Tempels Zôfukuin vom Berg Kôya. Das DVD-Set umfasst 12 DVDs von denen jedoch nur DVD Nr. 3 für CrossAsia lizenziert wurde.

Ausführlichere Beschreibungen sowie die Einstiege zu den Datenbanken finden sich wie üblich in der Liste der Datenbanken unter Journals/Fulltexts (Fûzoku gahô) bzw. Fulltexts (Zôfukuin bunko zenpon shûsei).

Neu in CrossAsia: Internationale Tageszeitungen

Seit heute bietet CrossAsia Zugang zu mehr als 1.500 internationalen Tageszeitungen.

Library PressDisplay bietet Zugang zu aktuellen Zeitungen aus aller Welt. Die Inhalte der Tageszeitungen werden laufend aktualisiert. Das Archiv beschränkt sich auf max. 90 Tage. Zugang erhalten Sie hier: http://erf.sbb.spk-berlin.de/han/49432533X

Die neue Ressource ist in unserer CrossAsia Datenbank-Liste beschrieben