mit Nicola Spakowski (Univ. Freiburg) und Matthias Kaun (Staatsbibliothek zu Berlin)
H-Soz-Kult: Herzlichen Dank an sie beide für Ihre Bereitschaft zu unserem Gespräch über die entstehenden Fachinformationsdienste (FID). Frau Spakowski, Sie als Fachwissenschaftlerin für Sinologie und moderne Geschichte Chinas möchten wir zuerst einmal um eine Einschätzung zum FID CrossAsia – Asien bitten: Welche Zielstellungen des FID CrossAsia – Asien begrüßen Sie und welche schätzen Sie eher kritisch ein?
Nicola Spakowski: Zunächst ist festzustellen, dass CrossAsia ein Angebot darstellt, das seit 2002 existiert, 2006 den Namen CrossAsia erhielt und bis 2015 mit dem Namenszusatz „Virtuelle Fachbibliothek Ost-, Südost- und Zentralasien“ versehen war. Jetzt erfolgt der Übergang zum sogenannten „Fachinformationsdienst“. Im FID CrossAsia wird offensichtlich bereits Bestehendes fortgesetzt, weiterentwickelt und um neue Angebote ergänzt. Insgesamt freue ich mich, dass CrossAsia weiterhin DFG-Förderung erhält, und kann wohl für alle KollegInnen meines Faches sagen, dass das Angebot immer begrüßt und gut angenommen wurde. Inwiefern gerade CrossAsia eine Anpassung an die neuen Richtlinien der DFG für die FID erfährt, ist mir allerdings nicht ganz klar.
Matthias Kaun: In den Diskussionen um die Beendigung des seit mehr als fünfzig Jahren DFG-geförderten SSG-Systems wurde die Frage nach der Zukunft der Sammlung als Angebot an die Wissenschaft intensiv thematisiert. Als dann in den ersten Phasen der FID-Antragsrunden viele ehemalige SSG keine Förderung als FID erhielten, spitzte sich die Frage weiter zu. Aus meiner Sicht, die sich vor allem auf eine weit entfernte Region und einen bislang noch relativ klar umrissenen Nutzerkreis konzentriert, war bereits vor mehr als zwölf Jahren offensichtlich, dass die Integration elektronischer Ressourcen und eine einfache, schnelle und verlässliche Zugänglichkeit das sind, was ein überregionales Angebot aus und über diese Region für die Wissenschaft ausmachen kann. Und ich gehe noch heute davon aus, dass nur solche zeitgemäßen Angebote zu einer wirklichen, tiefen Akzeptanz in der Wissenschaft führen können, die über politische Meinungsbildungsprozesse hinausreichen. Mit der Region Asien haben wir das Glück, dass es offensichtlich ist, sowohl aktuelle Forschungsinteressen akut zu beantworten, darüber hinaus ist es aber gleichermaßen wichtig, vorausschauend zu erwerben bzw. dauerhafte Nutzungsrechte an elektronischen Ressourcen zu lizenzieren. Was Sie heute aus Vietnam nicht erwerben, wird in fünf Jahren um vieles schwerer, wenn nicht unmöglich zu erwerben sein. Für die Region, für die wir jetzt verantwortlich sind, gibt es natürlich Unterschiede in der Zugänglichkeit von Materialien, die wir durchaus bei unseren Erwerbungsentscheidungen berücksichtigen. Was immer wichtig war und weiterhin wichtig ist: Diejenigen, die unsere Sammlung nutzen, haben seit jeher die Möglichkeit, Erwerbungsvorschläge zu machen und uns auf Dinge aufmerksam zu machen, die sie für ihre Forschung brauchen. Das wird im FID Asien noch einmal mehr betont, sowohl für den gedruckten wie auch den elektronischen Bereich, und wo möglich, ist Letzterem der Vorzug gegeben. Wir bieten z.B. ein großes Portfolio von elektronischen Büchern aus Taiwan an, die wir erst dann dauerhaft lizenzieren, wenn diese auch genutzt werden. Der Zugang ist aber sofort möglich, und keine Nutzerin oder Nutzer des Angebots merkt, dass hier ein gänzlich anderer „Erwerbungsansatz“ zu Grunde gelegt wird. Insofern wird CrossAsia im Bereich der Erwerbung und Lizenzierung den seit Jahren konsequent eingeschlagenen Weg als FID weiterführen. Das haben wir in unserem Antrag an die DFG deutlich gemacht, und die Gutachterinnen und Gutachter sind uns hier gefolgt.
Nicola Spakowski: Grundsätzlich wird ja problematisiert, dass mit der Einrichtung der FID ein umfassender Bestandsaufbau durch Angebote entlang der Nutzerinteressen ersetzt wird. Hier könnte Herr Kaun vielleicht ergänzen, in welchem Verhältnis CrossAsia diese beiden Strategien zukünftig verfolgen wird. Es stellt sich dabei natürlich die grundsätzliche Frage, wie realistisch es überhaupt wäre, für ein Sammelgebiet „Asien/Asienwissenschaften“ mit seinen Subregionen, Teil- und Subdisziplinen sowie, innerhalb der Teildisziplinen (z.B. der Sinologie), heterogenen Ansätzen wirklich umfassende Bestände aufzubauen bzw. was „umfassend“ für die Teildisziplinen überhaupt bedeuten würde.
Matthias Kaun: Wir sprachen in SSG-Zeiten immer von der „relativen Vollständigkeit“. Wir sind als Sammlung für die Abdeckung eines „Spitzenbedarfs“ verantwortlich; auch dieses Wort ist ein Terminus technicus der Fördereinrichtung, der mal mehr, mal weniger hilfreich erscheint. Generell versuchen wir, so umfassend und vorausschauend zu sammeln wie möglich – und denken dabei sowohl an die heterogenen Märkte und verschiedene Nutzungsszenarien. Was uns jetzt für den FID Asien z.B. gelungen ist, ist die Integration des Schwerpunktes Wirtschaft in das Sammelspektrum. Hier konnten wir in SSG-Zeiten aufgrund der programmatischen Rahmenbedingungen nicht sammeln; nun teilen wir uns die Verantwortung mit der Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften der Leibniz-Gemeinschaft. Ich betone gerne immer wieder: Die Sammlung in Berlin ist eine Sammlung zu und über Ost-, Zentral- und Südostasien. In Teilaspekten kann sie als sinologische oder japanologische Sammlung verstanden werden, aber sie war und ist immer mehr. Das läuft im Prinzip parallel zu den völlig verschiedenen Themen, mit denen sich – nicht nur heute – die Sinologie, Japanologie, Zentralasienwissenschaften usw. beschäftigen. Und über diese (regional)wissenschaftlichen Fächer hinaus, nehmen wir in den letzten Jahren wachsende Anfragen von Seiten der Sozialwissenschaften, der historisch orientierten Forschung oder auch der Rechtswissenschaften wahr. Und auch hier sind wir verantwortlich.
H-Soz-Kult: Und wie sieht es mit den konkreteren Zielsetzungen von CrossAsia aus?
Nicola Spakowski: Die einzelnen Elemente von CrossAsia erscheinen mir sinnvoll, ohne dass ich behaupten könnte, dass ich persönlich alle nutzte bzw. zukünftig nutzen werde. CrossAsia deckt auf jeden Fall ein breites Spektrum an Angeboten und Dienstleistungen ab, wobei sich eher konservative NutzerInnen auf den bloßen Zugriff auf Ressourcen beschränken, dem Digitalen aufgeschlossenere NutzerInnen hingegen zusätzlich technische Dienstleistungen in Anspruch nehmen werden. Im Zentrum von CrossAsia stehen auf jeden Fall der Direktzugriff auf (meist lizenzpflichtige) elektronische Ressourcen sowie der Blaue Leihverkehr, über den gedruckte Werke aus Berlin an anderen Orten eingesehen werden können. Der Zugriff auf lizenzpflichtige elektronische Ressourcen, der im Falle von CrossAsia tatsächlich breite Fachinteressen bedient – vom vormodernen bis zum gegenwärtigen China, von der Philosophie bis zur Politikwissenschaft – stellt eine extreme Erleichterung dar, was den Zugang zu Quellen anbelangt. Ich werde das unten noch in Bezug auf meine eigene Forschung erläutern. Der Service der „Digitalisierung on Demand“ fällt ebenfalls in die Kategorie der Bereitstellung von Ressourcen. Dass für einen überregionalen Dienst elektronische Elemente bevorzugt werden, ist plausibel und sollte selbst diejenigen überzeugen, die (wie ich) nicht gerne am Bildschirm lesen. Das zweite Bündel an Elementen bezieht sich auf die Kommunikation mit der Fachcommunity (Newsletter, Forum, Schulungen). Diese Elemente sind außerordentlich wichtig, weil CrossAsia entlang der Nutzerinteressen entwickelt wurde und weiterentwickelt wird, weshalb es auf die Interessenbekundungen und Rückmeldungen der Nutzer angewiesen ist. Im Falle der Sinologie, die keinen Fachverband hat, ist diese Kommunikation vermutlich stärker individualisiert als in anderen Disziplinen und mit den genannten Elementen (und hier und da einem Telefonat) gut durchführbar. Die Erfahrung zeigt, dass Anfragen und Anregungen an CrossAsia schnell und konstruktiv beantwortet und Bestellwünsche aufgenommen werden. CrossAsia bietet dezentralisierte Schulungen an, die wir in Freiburg für fortgeschrittene Bachelor- und für Masterseminare auch schon genutzt haben. Schließlich gehören zu CrossAsia Angebote, die eher im Bereich der technischen Erschließung digitaler Bestände und technischer Hilfestellungen liegen: Suchfunktionen, individualisierte Profildienste, Einrichtung virtueller Arbeitsgruppen, die Bereitstellung von Editionsverfahren im Rahmen der Digital Humanities usw. CrossAsia erweist sich hier als sehr ambitioniert, gleichzeitig aber weiterhin offensichtlich an den Nutzerinteressen orientiert, wenn wir an die Generation der „digital natives“ denken, aber auch an die Initiativen verschiedener Institute, mit Methoden der Digital Humanities zu arbeiten und wichtige Archivbestände digital zugänglich zu machen. Hier ist ein zentrales Angebot der technischen Hilfestellung mit Sicherheit wertvoll, um sicherzustellen, dass digitalisierte Bestände wirklich sinnvoll genutzt werden können. Ich selbst arbeite nicht in diesen Bereichen und hinke digitalen Neuerungen in der Regel hinterher. Ich fände es aber hilfreich, Konkreteres über genau diese technischen Dienstleistungen von CrossAsia zu erfahren. Welche Vorteile hat der zukünftige Nutzer von den genannten Elementen? Gibt es im Bereich der Digital Humanities bereits Erfahrungen bei konkreten Projekten?
Matthias Kaun: Wir haben in den letzten Jahren mit Hilfe der DFG und auch anderen Fördereinrichtungen wie dem Projektträger des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, dem Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), der Korea Foundation, aber auch den deutschen Instituten, die CrossAsia nutzen, sehr viel realisieren können. Wenn wir ein Buch erwerben, stellen wir es, mit einer Signatur versehen, bei uns ins Regal. Dort wartet es dann, bis es zu einem Ausleihvorgang kommt. Bei den elektronischen Materialien sieht das Ganze ein wenig anders aus. Die schnelle Zugänglichkeit ist für ein überregionales Angebot ein wichtiges Kriterium. Wir haben sehr viel Zeit und Gedanken in unsere Lizenzverträge mit den Anbietern bzw. Rechteinhabern gesteckt. Wir haben i.d.R. dauerhafte Nutzungsrechte, wir haben das Recht auf Archivierung und Hosting, und seit etwa vier Jahren verhandeln wir das Recht mit, dass unsere Nutzerinnen und Nutzer über das Lesen hinaus mit den Daten der elektronischen Ressourcen mehr anfangen dürfen, als nur lesen oder ggf. ausdrucken. Wir werden in der ersten Förderphase des FID eine Art elektronisches Magazin für die Materialien aufbauen und betreiben, das es uns ermöglichen wird, digitale (Voll-)Texte über eine gesicherte Verbindung unseren Nutzerinnen und Nutzern zur Verfügung zu stellen. Wir müssen diese Mechanismen entwickeln, da wir auf der einen Seite die Wissenschaft mit den lizenzierten Inhalten versorgen möchten und gleichzeitig die Einhaltung der Lizenzverträge gegenüber den Rechteinhabern einzuhalten haben. Die lizenzpflichtigen Inhalte können nicht einfach allen zur Verfügung gestellt werden, sondern in unserem Fall nur unseren registrierten Nutzerinnen und Nutzern. Wir haben hier in der Staatsbibliothek ein Konzept erstellt und hoffen, noch in diesem Jahr erste Ergebnisse zu erzielen. Da wir von sehr heterogenen Daten in den unterschiedlichsten Formaten und Kodierungen etc., von Zeitungen, Zeitschriften, vormodernen Texten, Statistiken usw. sprechen, ist klar, dass die Aufgabe nicht klein ist; ich gehe aber schon davon aus, dass wir das schaffen werden. Wir benötigen es aus mehreren Gründen: Zusammen mit dem Max-Planck Institut für Wissenschaftsgeschichte hier in Berlin, die ein Projekt zu vormodernen chinesischen Lokalchroniken durchführen, sind wir als „Infrastrukturpartner“ mit im Boot. Wir haben – auch mit finanzieller Unterstützung des MPIWG – die Inhalte lizenziert und bieten diese nun prototypisch über eine Schnittstelle den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die am MPI in diesem Projekt forschen, an. Hier werden dann die Inhalte eben nicht mehr „nur“ gelesen, sondern es werden automatisierte Auszeichnungen an den Texten vorgenommen, es werden Inhalte herausgezogen und ggf. neu gruppiert. Alles Dinge, die mit einem normalen, lesenden Zugang zu Texten nicht realisierbar sind. Wir gehen davon aus, nach Ende der ersten Projektphase 2018 dann eine generelle Lösung für die Versorgung der Wissenschaft mit digitalen Inhalten jenseits der Anbieterplattformen für das freiere Arbeiten mit den Materialien anbieten zu können. Ich bin da optimistisch und halte es für sinnvoll und richtig, dass wir zumindest solche wesentlichen Sammlungen für die vormodernen Chinawissenschaften wie die qingzeitliche Schriftensammlung „Siku Quanshu“ oder – dann für die moderne Chinaforschung – die chinesische „Volkszeitung“ (Renmin Ribao) und andere anbieten können. Der Bedarf ist vielleicht heute noch nicht so groß; wir gehen aber davon aus, dass diese Anfragen in Zukunft stärker an uns herangetragen werden – und damit dann auch die Vorteile elektronischer Ausgaben erst wirklich genutzt werden können. Wir müssen dann nicht nur Antworten und Hilfestellungen für unsere Nutzer haben, sondern als Infrastruktureinrichtung auch zukunftssichere Lösungen anbieten können. Auf der anderen Seite müssen wir natürlich die Lizenzgeber überzeugen, dass wir alles machen, um die Rechte nicht zu verletzen.
Wir gehen auch davon aus, dass die Ergebnisse der Arbeiten mit den digitalen Inhalten – im besten Fall – wieder nach CrossAsia zurückfließen werden, dann natürlich idealerweise im Bereich des Open Access bzw. Open Data. Wir wissen sehr wohl, dass die europäische Forschungslandschaft für den Bereich der Asienwissenschaften extrem heterogen aussieht. Deutschland ist – das darf ich hoffentlich so sagen – im Bereich Informationsinfrastruktur trotzdem gut versorgt. Das alte SSG-System hat genau diesen Zustand zum Ziel gehabt, und wir konnten ihn erfolgreich verwirklichen. In Deutschland haben die WissenschaftlerInnen Zugriff auf Dinge, die sonst vielleicht nur in Harvard oder in Tokyo verfügbar sind. Diese Unausgeglichenheit in Europa, die auch jahrzehntelang in Deutschland für den Bereich der Asienwissenschaften vorherrschte, schwächt einen Forschungsstandort. Andere europäische Länder sind heute deutlich schlechter gestellt. Insofern erhoffen wir uns auch, dass das Arbeiten mit den digitalen Volltexten zumindest im Kleinen, über Open Data, dafür sorgen wird, dass die Ergebnisse aus dem Bereich der digitalen Wissenschaften zu einem Teil die kommerzielle Datenbanken für die weltweite Forschung aufschließen.
Nicola Spakowski: Ich bin allerdings, ehrlich gesagt, skeptisch, ob eine digitale Publikationsplattform wirklich auf Nachfrage stoßen wird. Selbst wenn sich der „Open Access“-Gedanke weiter durchsetzen sollte, würde CrossAsia mit einer Vielzahl anderer Initiativen konkurrieren, sowohl lokalen als auch internationalen. Hier müsste CrossAsia unter Beweis stellen, dass es den in der Regel international orientierten AsienwissenschaftlerInnen das attraktivste Angebot für diese Publikationsform zur Verfügung stellt.
Matthias Kaun: Ich hoffe schon, dass wir uns sowohl im Bereich Open Science, Open Data und eben auch Open Access gut positionieren können und erfolgreich sein werden. Überall da, wo heute Fördergelder von der DFG oder auch der EU genutzt werden, sollten oder müssen die Ergebnisse OA veröffentlicht werden. Mir geht es jetzt nicht darum, den Heidelberger Appell zu thematisieren; aber ich denke, es ist für die Wissenschaft interessant und attraktiv zugleich, wenn die Infrastruktur CrossAsia, die ggf. die Forschung mit ermöglicht hat, auch die Plattform ist, auf der sowohl die Forschungsdaten (auch die benötigen ein Zuhause) als auch die Forschungsergebnisse veröffentlicht, verbreitet und gesichert werden. Und mit CrossAsia E-Publishing gehen wir auch noch einen Schritt weiter und bieten neben der Online-Publikation Print-on-Demand Dienste in Verlagsqualität an. Zudem kann das gedruckte Buch über verschiedene Plattformen, wie buchhandel.de oder Amazon gekauft werden, was die Attraktivität des Angebot für die Wissenschaft steigern wird
H-Soz-Kult: Frau Spakowski, Ihre aktuellen Forschungsprojekte beschäftigen sich mit Konzepten der Zukunft, Feminismus und Frauenbewegung und dem Phänomen der Arbeiterhelden in China. Für unsere breite Leserschaft möchten wir Sie bitten, uns Ihre aktuellen Forschungsthemen etwas näher vorzustellen. Dabei sind wir insbesondere daran interessiert zu erfahren, wie ihre persönliche Recherchestrategie aussieht und welche Bedeutung Sie den bisher zur Verfügung stehenden Informationsangeboten von Bibliotheken und Informationsdienstleistern zumessen.
Nikola Spakowski: Längerfristig arbeite ich an einer Geschichte der Zukunft in China, die von den 1930er-Jahren bis in die Gegenwart reicht. Hier geht es um Zugänge zu Zukunft an Wendepunkten der chinesischen Geschichte, momentan konkret um städtische Zukunftsvorstellungen in den 1930er-Jahren, vor Ausbruch des Krieges mit Japan. Zu diesem Zeitpunkt konkurrierten technokratische Konzepte der Regierung mit Visionen einer sozialistischen Industriegesellschaft, wie sie von vielen städtischen Intellektuellen formuliert wurden. Zwei wichtige Quelleneditionen habe ich bei einem Forschungsaufenthalt in China erworben – hätte sie aber auch über die „Chinamaxx EBook library“ von CrossAsia herunterladen können. Die Zeitschriften- und Zeitungsartikel aus der Zeit beziehe ich aus der Datenbank für die Tageszeitung „Shenbao“ sowie der Zeitschriftendatenbank für die späte Qing- und die Republikzeit (insgesamt 1833-1949), auf die ich ebenfalls über CrossAsia Zugriff habe. Dies gewähreistet zwar keine vollständige, aber doch repräsentative Erfassung der existierenden Quellen.
Ein zweites aktuelles Forschungsthema sind die Arbeiterheldinnen und -helden Chinas von den 1920er- bis zu den 1960er-Jahren, die wir im Rahmen des Freiburger SFB „Helden, Heroisierungen, Heroismen“ mit ihren russischen Pendants vergleichen. Sie haben eine sehr wichtige Funktion als Akteure und Symbole der sozialistischen Transformation im Allgemeinen und der Umstrukturierung der agrarwirtschaftlichen und industriellen Produktion im Besonderen. Das Thema ist in westlichen Sprachen kaum behandelt, und wir stehen selbst noch am Anfang des Projektes. Bisher haben wir uns vor allem einen Überblick über die politischen Rahmenbedingungen und die kommunistische Heldenpolitik verschafft, und zwar vorrangig über chinesischsprachige wissenschaftliche Artikel aus der „China Academic Journals“-Datenbank und über chinesische Dissertationen, die ebenfalls über CrossAsia abgerufen werden können. Neben Interviews arbeiten wir hauptsächlich mit schriftlichen Quellen, die wir teilweise aus Archiven beziehen, teilweise sind sie veröffentlicht. Auch hier sind die Datenbanken von CrossAsia extrem hilfreich. Dies betrifft digitalisierte Quelleneditionen, Datenbanken zur Parteigeschichte, Lokalchroniken, die „Volkszeitung“ als Medium der Propagierung nationaler Helden usw. In China wird sehr viel digitalisiert, sowohl aktuell relevantes als auch historisches Material. Es gibt aber auch Grenzen: Lokal- und Provinzzeitungen sowie populäre Publikationen, z.B. Comicheftchen mit großer Auflage, die alle für das Projekt wichtig sind, sind nicht digitalisiert. Politisch sensibles Material ist grundsätzlich schwer zugänglich, gerade für Ausländer, aber hier können chinesische KollegInnen oft helfen. Die genannten populären oder lokalen Quellen können wir nur in chinesischen Bibliotheken einsehen oder anderweitig in China beschaffen, etwa in Antiquariaten oder von Sammlern. Ein drittes Thema sind Entwicklungen im chinesischen Feminismus, die ich schon lange verfolge, mit einem Untersuchungszeitraum, der von den 1920er-Jahren bis in die Gegenwart reicht. Hier habe ich jüngst einen Beitrag zu aktuellen Diskussionen um das sozialistische Erbe verfasst, also die Frage, ob die Frauenpolitik unter Mao Zedong Frauen lediglich als Arbeitskräfte instrumentalisiert oder echte Fortschritte für Frauen erzielt hat. In Bezug auf aktuelle Debatten spielen natürlich Gespräche mit Aktivistinnen eine wichtige Rolle. Außerdem habe ich mit der genannten „China Academic Journals“-Datenbank derzeit Volltextzugriff auf 10.232 chinesische Fachzeitschriften mit über 56 Millionen einzelnen Artikeln, die seit 1951 veröffentlicht wurden. Für den Zeitraum vor 1949 steht die Volltextdatenbank für Periodika der Jahre 1833 bis 1949 zur Verfügung. Sie ist bei weitem nicht so umfassend und lässt auch keine Volltextsuche zu. Trotzdem kann ich über diese beiden Datenbanken große Teile meines Quellenbedarfs für dieses Projekt abdecken.
H-Soz-Kult: Bitte verraten Sie uns auch noch, welche forschungspraktische Bedeutung das bisherige Sondersammelgebiet Ost- und Südostasien und die Virtuelle Fachbibliothek Ost-, Südost- und Zentralasien (CrossAsia) für Sie hat bzw. hatte.
Nicola Spakowski: CrossAsia ist für mich unersetzlich, und ich nutze das digitale Angebot fast täglich. Den “Blauen Leihverkehr” nutze ich sporadisch. Ich habe in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre studiert, wo kleine, extrem selektiv ausgestattete sinologische Seminarbibliotheken sowie der Sammelschwerpunkt der Staatsbibliothek Berlin, der spezielle Themen eben doch nicht abdeckte, den einzigen Zugang zu chinaspezifischer Literatur in Deutschland darstellten. Lange Rechercheaufenthalte in China waren die einzige Alternative. Gleichzeitig waren die Möglichkeiten in China damals aus anderen – politischen, infrastrukturellen – Gründen ebenfalls sehr begrenzt. Recherchen in chinesischen Archiven und Bibliotheken sind extrem mühsam, und mit der umfangreichen Digitalisierung, die in China selbst vorangetrieben wird, wurde die Quellenbeschaffung deutlich erleichtert. CrossAsia konnte und kann viele forschungspraktische Probleme gut auffangen, wenn auch nicht alle lösen. In jedem Fall haben sich über CrossAsia die Recherchemöglichkeiten in Deutschland immens ausgeweitet. Die Freiburger Sinologie nutzt übrigens CrossAsia auch intensiv in forschungsnahen Seminaren bzw. den zugehörigen Lehrveranstaltungen zur Quellenlektüre, wo bereits unsere fortgeschrittenen Bachelorstudierenden mit originalsprachigen Quellen arbeiten müssen, die Studierenden des Masterstudienganges sowieso. Es handelt es sich dabei um Lexikonartikel, Zeitungsartikel, wissenschaftliche Aufsätze, politische Dokumente und Romane. Wir üben im Kurs zum einen die Benutzung der entsprechenden Datenbanken. Zum anderen geht es um die Erschließung dieser Texte mit den jeweils relevanten Methoden.
Es wäre für mich aber auch sehr interessant zu erfahren, wie sich die Entwicklungen seit den 1980er-Jahren aus Sicht eines Fachbibliothekars darstellen: Inwiefern spiegeln die chinabezogenen Angebote von CrossAsia die chinesische Publikationspolitik wider? Gibt es eine Erklärung für den chinesischen Digitalisierungsboom, und stellt China hier eine Ausnahme dar? Unterscheidet sich China in seiner Lizenzpolitik von anderen Ländern?
Matthias Kaun: In der Tat lassen sich mehrere Schichten des chinesischen Publikationsmarktes – und ich inkludiere hier jetzt auch den taiwanischen Markt – identifizieren. Vor und in den frühen achtziger Jahren waren es vor allem Taiwan und die „chinesischen“ Verlage in den USA, die die Wissenschaft mit Material versorgt haben. Das staatliche chinesische Publikationswesen – und nur das gibt es im Prinzip – erlebte dann in den achtziger Jahren einen starken Aufwuchs. Dies war teilweise dadurch bedingt, dass China eben auch eine Schriftkultur mit einem riesigen Berg an Material ist, das z.B. neu veröffentlicht, neu ediert, neu kommentiert, neu herausgegeben usw. wurde. Viele dieser Veröffentlichungen stehen heute noch immer in den Institutsbibliotheken wie die chinesische Dynastiegeschichten, herausgegeben vom Verlag „Zhonghua shuju“. Die Qualität der chinesischen wissenschaftlichen Veröffentlichungen dieser Zeit bis ins neue Jahrtausend hinein wurde – auch gerade von Seiten der deutschen Wissenschaft – stark bemängelt und kritisiert. Das hat sich heute – sowohl was die Qualität betrifft als auch die Sicht auf die Leistung der chinesischen Wissenschaft – massiv verändert. Unsere Sammlung spiegelt diesen Zustand natürlich wider. Ich war sehr froh, als wir damals nach mehr als vier Jahren Verhandlungen Chinamaxx lizenzieren konnten. Chinamaxx bietet Zugang zu mehr als 700.000 Bänden chinesischer – vornehmlich – wissenschaftlicher Literatur. Es ist klar, dass gerade die Bestände aus der Zeit nach 1945 bis nach der Kulturrevolution in Bibliotheken nur schwach vertreten sind. Diese Lücke konnte z.B. hervorragend durch Chinamaxx mit geschlossen werden.
Wir müssen aber auch feststellen, dass wir in Asien mit völlig verschiedenen Märkten und auch unterschiedlichen Ansichten, was das Verlagswesen angeht, zurechtkommen müssen. Der Markt für wissenschaftliche elektronische Publikationen in Japan ist extrem überschaubar und schwierig. Der Markt ist gekennzeichnet durch einen stark ausgeprägten Konservatismus, der sich am gedruckten Werk festklammert. Der Markt in Korea ist allein aufgrund der Größe des wissenschaftlichen Bereichs im Prinzip überschaubar, aber in den digitalen Entwicklungen sehr aktiv. China stellt hier eine Sonderrolle dar; hier wurde bereits in den 1990er-Jahren des letzten Jahrhunderts von der Regierung eine Roadmap entworfen, die klar die Richtung Digitalisierung vorgab. Insofern ist es verständlich, dass mehrere, heute sehr große und extrem erfolgreiche (meist Staats-)Firmen den Distributionsmarkt für chinesische elektronische Publikationen dominieren. Diese Firmen sind aber keine Verlage, die zu nahezu 100 Prozent Staatsverlage sind und unter Kontrolle der Regierung stehen, sondern Dienstleister, die mit der elektronischen Veröffentlichung der Verlagspublikationen sehr viel Geld verdienen, sowohl auf dem chinesischen Markt als auch im Ausland. Die Verlage beginnen gerade erst, sich mit dem Thema zukunftsorientierte Digitalisierungsstrategien, neue Geschäftsmodelle oder Vertriebswege zu beschäftigen. Der schon genannte wichtige Verlag Zhonghua shuju z.B. kündigt seine ersten elektronischen Bücher erst für 2015/2016 an. Nichtsdestotrotz: Der chinesische Markt ist beeindruckend groß und umfassend, qualitativ nicht immer herausragend, aber – und das ist immer ein gutes Zeichen, finde ich – immer in Bewegung. Das macht unsere Arbeit hier schwerer und aufwendiger, aber es kommen so eben auch Dinge und Nutzungsverträge zustande, die vor 15 Jahren undenkbar schienen.
H-Soz-Kult: Die Geisteswissenschaften unterliegen einer digitalen Transformation, die sich unter anderem in medialen Veränderungsprozessen niederschlägt und zu neuen Formen der Fachinformation geführt hat. Erwarten Sie für sich in den nächsten Jahren eine Hinwendung zu digitalen Publikationsformaten im Open Access?
Nicola Spakowski: Ganz grundsätzlich bietet die Digitalisierung der geisteswissenschaftlichen Forschung viele Chancen, sei es in Form des einfacheren Zugangs zu Quellen, sei es in den Methoden und Arbeitsbereichen der Digital Humanities. Dass am Ende die Plausibilität der Analyse zählt, versteht sich von selbst. Was die digitale Publikation im Open Access anbelangt, so halte ich die Problematisierung der hohen Kosten von Zeitschriftenliteratur für mehr als berechtigt. Ich bezweifle aber, dass Open Access der einzig mögliche Ausweg aus der Krise ist, und halte einen Übergang zu dieser Publikationsform nur im Rahmen einer grundsätzlichen wissenschaftspolitischen und -organisatorischen Wende für praktikabel. Als Chinawissenschaftlerin mit einem speziellen Forschungsprofil bin ich zwangsläufig international ausgerichtet – anders hätte ich keine Leser. Meine Arbeit wird international über Publikationen in englischsprachigen Fachzeitschriften wahrgenommen, die für Qualität stehen und als solche Aufmerksamkeit genießen. Außerdem ist das Publizieren in internationalen Zeitschriften mit anonymem Begutachtungsverfahren ein wichtiger Faktor bei Evaluationen der verschiedensten Art. Ich sehe momentan noch nicht, wie mit Open Access alle Vorteile des alten Systems umfassend gewährleistet wären.
H-Soz-Kult: An Sie beide die Frage möchten wir gerne die Frage richten: Wie und wo sind bisher WissenschaftlerInnen der verschiedenen Bereiche der Asienwissenschaften in die Entwicklung von Online-Diensten bzw. in den FID involviert? Gibt es eigenständige Initiativen aus dem Fach heraus oder erfolgt die Entwicklung primär in Kooperation mit Archiven und Bibliotheken?
Nicola Spakowski: Ich kann hier nur für die Sinologie sprechen, für welche die Tatsache, dass das Fach sich nicht in einem einheitlichen Fachverband, sondern in mehr oder weniger stark institutionalisierten Netzwerken organisiert, die Kommunikation und Kooperation zwischen FID und Fachcommunity sicherlich erschwert. Eine eigenständige und vor allem einheitliche Initiative aus dem Fach heraus gibt es deshalb nicht. CrossAsia hat den Austausch mit VertreterInnen des Faches über Veranstaltungen in Berlin und die Präsenz bei großen Konferenzen gesucht. Ansonsten erfolgt die Kommunikation meines Wissens individuell, mit einzelnen FachvertreterInnen oder BibliothekarInnen. Insgesamt ist mein Eindruck, dass sich CrossAsia von beiden Richtungen her entwickelt, dem Angebot, das seitens des FID entwickelt wird, und den Nachfragen seitens der FachvertreterInnen. Aber hier kann Herr Kaun mit Sicherheit besser Auskunft geben.
Matthias Kaun: Kommunikation und Austausch von Information ist immer wichtig und ebenso schwierig zu realisieren, wenn man mal die bilateralen Gespräche außer Acht lässt. Selbst Kommunikation mit und über Fachverbände ist keine Garantie für einen Austausch. Vor allem habe ich im Laufe der Jahre gelernt, dass Öffentlichkeitsarbeit, die sich an den Services orientiert, extrem wichtig ist. Hervorragende Angebote können toll und wichtig sein, aber wenn sie keiner kennt, erzielen sie nicht ihre Wirkung. Wir kommen von der inhaltsbezogenen Angebotsseite und versuchen, diese Angebote dann aktiv zu vermitteln, sei es im Rahmen von Kursen an den Instituten, sei es heute verstärkt über Videokonferenzen oder eben auch Telefonate oder Email. Wir garantieren eine Ansprechbarkeit bei Wünschen, Anregungen – und vor allem auch bei praktischen Problemen mit oder Orientierung in den Angeboten. Wir versuchen gleichzeitig auch über verschiedene elektronische Medien, auf die Angebote aufmerksam zu machen. Und das ist weniger einfach, als es sich anhört, weil es eben schwierig ist, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Wir versuchen aber vor allem zu vermeiden, unsere Nutzerinnen und Nutzer in unsere Probleme und Aufgaben einzubeziehen, sondern möchten mit einem herausragenden Angebot überzeugen. Rückkoppelungen und Anregungen seitens der Nutzerinnen und Nutzer sind für uns sehr wichtig und mehr als willkommen; gleiches gilt für Kritik und Lob. Wir werden jetzt im FID einen Fachbeirat etablieren, der unsere Arbeit enger begleiten wird. Viele der Fachbeiratsmitglieder sind dann „Gesandte“ der Fachverbände. Wir werden sehen, ob sich auf diesem Wege die Kommunikation und der Austausch mit den verschiedenen Ausrichtungen von Forschung und Lehre in den deutschen Asienwissenschaften sicherer gestalten werden.
H-Soz-Kult: In den Asienwissenschaften werden wie in anderen Regionalwissenschaften auch verschiedene disziplinäre Zugänge miteinander verbunden. Schlägt sich das in der Struktur der FID-Angebote (Datenbankauswahl etc.) nieder? Sind bestimmte regionale, disziplinäre und thematische Felder stärker präsent als andere? Welche fachspezifischen Charakteristika sind besonders passfähig zu den FID-Angebote, welche sind darin kaum zu bedienen?
Nicola Spakowski: In der Tat zeichnen sich die Regionalwissenschaften durch besondere Heterogenität aus: Ein sinologisches Institut kann eine Historikerin, eine Literaturwissenschaftlerin und eine Ökonomin als Fachvertreterinnen umfassen. Und es gibt den grundsätzlichen Unterschied zwischen den philologischen und den disziplinär definierten Ansätzen (Geschichts-, Politik-, Literaturwissenschaft usw.). Mein Eindruck ist, dass das Angebot von CrossAsia im Bereich China einigermaßen ausgewogen ist, wobei die Geisteswissenschaften sehr gut bedient werden, die quantitativ arbeitenden Sozialwissenschaften eher weniger. Auch KollegInnen, die mit audio-visuellen Quellen arbeiten, kommen über CrossAsia bisher nicht besonders weit. Typisch für die China-Forschung und insbesondere die chinabezogene Geschichtswissenschaft ist vielleicht, dass es außerordentlich viele unbearbeitete Themen gibt, denen sich SinologInnen gerne zuwenden. Die bloße Erschließung und Erstauswertung neuer Quellen – von denen viele ja noch gar nicht lange zur Verfügung stehen – spielt eine wichtige Rolle in der Sinologie, und hier ist CrossAsia als Datenbanksammlung natürlich sehr passend. Herr Kaun hat vielleicht noch bessere Möglichkeiten, diese Frage im Vergleich zu anderen Disziplinen zu beantworten. Überdies würde mich interessieren, wo er selbst Erweiterungsbedarf und -möglichkeiten in der Bereitstellung von Ressourcen für die Asienwissenschaften sieht.
Matthias Kaun: Unser Anspruch ist, sowohl die Heterogenität der Region, der Märkte und eben auch die Ausdifferenzierung und Heterogenität der Wissenschaft, die sich mit Asien beschäftigt, zu berücksichtigen. Das funktioniert im Bereich des klassischen Fächerkanons ganz gut. In den letzten Jahren konnten wir auch die verstärkten Nachfragen aus dem Bereich Rechtswissenschaft oder Wirtschaft abdecken. Nicht richtig hinterher kommen wir – vor allem aus Gründen des zur Verfügung stehenden Etats – bei großen Wirtschaftsdatenbanken, für die i.d.R. auch keine dauerhaften Nutzungsrechte eingeräumt werden, die aber gleichzeitig horrend kostenintensiv sind. Wenn es einen formulierten Bedarf gibt, z.B. an wirtschaftlichen oder an audiovisuellen Materialien, dann sind wir dem gegenüber aber sehr aufgeschlossen. Wir könnten hier unsere Angebote wirklich ausweiten. Ich möchte aber nicht vermeiden zu betonen, dass wir nur eine Infrastruktureinrichtung sind, die vor allem im Zusammenspiel mit den Institutsbibliotheken ihre Wirkung entfaltet. CrossAsia ist geplant und gedacht als komplementärer Baustein einer Infrastruktur für asienbezogene Wissenschaft.
H-Soz-Kult: Abschließend möchten wir gerne noch erfahren, welche Veränderungen Sie aus Ihrer jeweiligen Perspektive nach der Bereitstellung der neuen FID-Angebote erwarten und welche Wünsche und Vorschläge Sie an eine Weiterentwicklung des FID CrossAsia – Asien knüpfen.
Nicola Spakowski: Ich sehe keinen gravierenden Einschnitt im Übergang zum FID. CrossAsia existiert, wie gesagt, schon lange und hat sich stetig weiterentwickelt, und zwar entlang der Interessen der NutzerInnen. Mein Eindruck ist, dass mit dem Übergang zum FID die technischen Dienstleistungen optimiert werden sollen, und dies ist ja durchaus begrüßenswert. Es bestehen angesichts begrenzter Ressourcen natürlich gewisse Gefahren – Weiterentwicklung der Technik auf Kosten des Ausbaus von Beständen, Berücksichtigung sehr individueller Nutzerinteressen auf Kosten allgemein relevanter Angebote –, aber es gibt in der Praxis von CrossAsia, wie ich es beobachte, bisher keinen Anlass zur Sorge. Dennoch muss weiter diskutiert werden, wie der FID CrossAsia dem speziellen Fall der Sinologie als einer heterogenen Disziplin ohne Fachverband am besten gerecht werden kann. Ich frage mich außerdem, ob es Möglichkeiten der internationalen Kooperation gibt, mit denen das notwendigerweise doch begrenzte Angebot von CrossAsia erweitert werden könnte. Außerdem stellt sich die Frage, ob CrossAsia Unterstützung dabei leisten könnte, die durchaus wichtigen Bestände einzelner deutscher sinologischer Institutsbibliotheken besser zugänglich zu machen. Einige Institute verfügen über Schenkungen, Spezialsammlungen oder sind gerade mit digitalen Archivierungsprojekten befasst. Könnte sich CrossAsia hier nicht sinnvoll einbringen?
Matthias Kaun: Da schneiden Sie Themen an, die wir vor einigen Jahren versucht haben, konkret anzugehen. Dies mündete dann in einen DFG-Antrag, der nicht gefördert werden konnte. Wie ich aber schon sagte: CrossAsia ist komplementär zu den Instituten, die uns maßgeblich nutzen. Insofern wäre es – wie Sie sagen – wichtig, die auch in den Institutsbibliotheken vorhandenen Materialien zumindest erst einmal sichtbar zu machen. Das klingt einfach, ist aber schwierig, da dieses Sichtbarmachen eben Kosten verursacht; im Prinzip dauerhafte Kosten auf Seiten der Universitäten. Aber genau hier wollten wir damals ansetzen und den Bereich der Retrokonversion oder den Nachweis von originalschriftlicher Literatur in Deutschland, so wie z.B. in den USA, zu etablieren. Wir sind leider noch sehr weit davon entfernt. Nichtsdestotrotz unterstützen wir, wo wir können, und nehmen z.B. auch Nachlässe oder Sammlungsteile aus anderen Bibliotheken auf oder helfen bei Bedarf mit Rat bei Retrokonversionsprojekten.
Was den Bereich der Forschungsdaten angeht, stehen wir sehr gerne sowohl als Ansprechpartner als auch als „Archivierungsinfrastruktur“ zur Verfügung. Auch wir haben da, wie viele andere, bislang noch wenig praktische Erfahrung, da es sich um einen relativ neuen Bereich handelt. Wir sehen aber die Aufgabe und werden hier bei Bedarf als Infrastruktur zur Verfügung stehen und eine Lösung finden.
Ich hatte bereits vorhin auf die Unausgewogenheit in Europa hingewiesen: CrossAsia ist für die deutsche Wissenschaft und eben nicht für die belgische oder die schweizerische. Wir sehen diese Unausgewogenheit sehr kritisch und versuchen auch hier, uns einzubringen. Wir bieten z.B. an, sich über europäische Konsortien, die wir verhandeln und organisieren, an Lizenzierungen zu beteiligen. Wir verfügen über gute Kontakte und die Erfahrung im Lizenzgeschäft und stellen das gerne zur Verfügung. Leider ist die Lage in den europäischen Asienbibliotheken bzw. -sammlungen finanziell wenig erfolgsversprechend. Gleichzeitig behindern nationale Bedingungen den Aufbau und Betrieb oder auch nur die Kostenübernahme für disziplinspezifische Plattformen wie CrossAsia. Hier hat die DFG im Bereich der Sondersammelgebiete und jetzt Fachinformationsdienste wirklich ein einmaliges und gleichermaßen erfolgreiches und wichtiges Programm etabliert und gefördert. Das gibt es eben nicht in Belgien, der Schweiz oder Schweden.
Die Staatsbibliothek als Träger von CrossAsia ist natürlich international vernetzt. Wir haben enge Beziehungen zu Bibliotheken und Verlagen in Asien, wir kennen die Vertriebswege und man kennt uns. Aus Erfahrung wissen wir, dass Kooperationen – gerade internationale – extrem wichtig und gleichzeitig arbeitsaufwendig und schwierig sind. Wir haben uns intern vorgenommen, uns hier noch stärker vor allem in Ostasien zu vernetzen. Das wird mit Sicherheit ein längerer Prozess sein, in den wir auch gerne den neuen Fachbeirat von CrossAsia miteinbeziehen möchten. In Zeiten der elektronischen Zugänglichkeit von Materialien und nationalen Digitalisierungsprojekten können solche internationalen Kooperationen ihren wahren Charme voll entfalten.
Was damit aber eben nicht beantwortet werden kann, ist die Frage, wie wir die Nutzung internationalisieren können. Wir haben hier Ideen und entwickeln Strategien, wie z.B. das Angebot internationaler Konsortien. Der Unterschied zu anderen FID, die für andere wissenschaftlichen Bereiche zuständig sind, ist der, dass in unserem Fall selbst der Zugang zu eigentlich selbstverständlichen Inhalten in anderen Ländern nicht flächendeckend gesichert ist. Das bringt große Probleme mit sich, nicht nur im Bereich internationaler Kooperation. Gerade in diesem Feld sind dann Angebote wie Konsortien ein kleiner Schritt; wenn es aber den Einrichtungen an den Mitteln mangelt, müssen auch, parallel zu den existierenden, neue Versuche unternommen werden, um diesen Missstand der Unausgewogenheit zu minimieren. Da möchten wir CrossAsia auch zukünftig stärker positionieren, denn wir nehmen gerade bei all den internationalen Anfragen auch die Potentiale wahr, die hinter diesem durch die öffentliche Hand geförderten und betriebenen Angebot CrossAsia stehen. Klar ist aber auch: Auch CrossAsia bedarf eines gesicherten Betriebs- und Finanzierungsmodells.
Dieser Beitrag erschien zuerst im H-Soz-Kult Forum.
Zitation: Forum: Interview zum FID CrossAsia-Asien mit Nicola Spakowski (Univ. Freiburg) und Matthias Kaun (Staatsbibliothek zu Berlin), in: H-Soz-Kult, 19.09.2016, <www.hsozkult.de/debate/id/diskussionen-3875>.
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Einladung: CrossAsia Einführungen ab 25.1.
/in Aktuelles, Schulungen/by Miriam SeegerIm Januar und Februar laden wir Sie im Rahmen der Wissenswerkstatt ein zu unseren Rechercheschulungen zum Portal CrossAsia.
In den Einführungen wird das Portal mit seinen Modulen, wie der CrossAsia Suche, dem Online Guide East Asia (OGEA), den Digitalen Sammlungen und dem Themenportal näher vorgestellt. Ebenso wird auf das Diskussionsforum und den CrossAsia Campus eingegangen. Anschließend werden die Inhalte und die Recherchemöglichkeiten von bibliographischen und Volltextdatenbanken jeweils für Japan, China, Korea und Südostasien erklärt.
Schwerpunkt Japan
Mi, 25. Januar 2017, 18.30-20.00 Uhr
Nach einem Überblick zu den japanischen lizenzpflichtigen Datenbanken (historische und aktuelle Tageszeitungen, Zeitschriftenartikel, Nachschlagewerke, biographische Informationen, Rechtsinformationen, Firmen- und Wirtschaftsdaten, E-Books etc.) werden speziell die Datenbanken CiNii Articles (Zeitschriftenartikel, teilweise Volltextzugriff), JapanKnowledge (Online-Plattform für diverse Nachschlagewerke) und Kikuzou II bijuaru for libraries (Artikel der Zeitung Asahi Shinbun im Volltext) gezeigt.
Schwerpunkt Korea
Do, 26. Januar 2017, 18.30-20.00 Uhr
Nach einer Einführung in das Portal CrossAsia werden die Angebote zu Korea vorgestellt und ausprobiert. Im Vordergrund stehen die Datenbanken DBpia und KISS sowie die Suche über RISS International, außerdem geht es um die Tagesszeitungen Chosun Ilbo und Donga Ilbo mit ihren Archiven.
Schwerpunkt China
Di, 31. Januar 2017, 18.30-20.00 Uhr
Die Vorstellung des CrossAsia Portals wird einen Überblick über die thematische Breite der zahlreichen chinesischen lizenzpflichtigen Datenbanken geben. Drei sozialwissenschaftliche Datenbanken mit ihren Inhalten und Suchmöglichkeiten sollen detaillierter vorgestellt und ausprobiert werden: China Yearbooks Full-text Database, Pishu-Datenbank (Blau-, Grün-, Gelbbücher) und CEIC Data (statistische Materialien).
Schwerpunkt Südostasien
Do, 23. Februar 2017, 18.30-20.00 Uhr
Im Mittelpunkt der Veranstaltung steht das Portal CrossAsia mit seinen Angeboten zu Südostasien. Es wird insbesondere die Suche nach originalsprachigen Materialien in nichtlateinischen Schriften vorgestellt. Dabei wird auf unterschiedliche Transkriptionssysteme eingegangen. Es werden Recherchestrategien vorgestellt. Außerdem lernen Sie Südostasien-Datenbanken und originalsprachige Zeitschriftenbestände kennen.
Veranstaltungsort: Staatsbibliothek zu Berlin, Potsdamer Str. 33, Schulungsraum im Lesesaal
Treffpunkt: Eingangshalle (I-Punkt)
Wir freuen uns über Ihre Anmeldung!
Testzugang zu The North-China Daily News & Herald Newspapers and Hong Lists (1850~1951)
/in Aktuelles, Datenbanken/by CrossAsiaBis zum 09.02. nächsten Jahres können wir unseren registrierten Nutzerinnen und Nutzern einen Testzugang zur Datenbank The North-China Daily News & Herald Newspapers and Hong Lists(1850~1951) anbieten. Darin enthalten sind die folgenden englisch- bzw. chinesischsprachigen Zeitungen: North-China Herald 北华捷报 1850-1941, North-China Daily News 字林西报 1864-1951, North-China Desk Hong List 字林西报行名录 1872-1941, Chinese Shipping List & Advertiser 上海新报 1862-1872, Hubao 沪报 1882-1908, Zilin Hubao 字林沪报 1882-1899, Tongwen Hubao 同文沪报 1900-1905, Hanbao 汉报 1894-1900, Xiaoxianbao 消闲报 1898-1906, Tongwen Xiaoxianbao 同文消闲报 1900-1901, Xiaoxianbao 消闲报 1901-1902, sowie Xiaoxianlu 消闲录 1903-1906.
Der Einstieg in die Datenbank erfolgt über die Ihnen vertraute Seite des Shanghaier Portals 晚清期刊、民国时期期刊全文数据库, wie gewohnt, stehen die Artikel als scan und nicht im Volltext zur Verfügung. Wir freuen uns über Ihre rege Nutzung und Rückmeldungen, ob Sie an einer dauerhaften Nutzung der Datenbank interessiert sind, wie immer unter x-asia(at)sbb.spk-berlin.de oder im Forum!
Newsletter Nr. 13
/in Aktuelles, Newsletter 13/by CrossAsiaLiebe Nutzerinnen und Nutzer der CrossAsia-Angebote,
das erste Jahr als Fachinformationsdienst (FID) neigt sich dem Ende zu – Zeit in einem neuen Newsletter über aktuelle Tätigkeiten und Angebote der letzten sechs Monate zu berichten.
In Beiträgen des aktuellen Newsletters erfahren Sie, welche neuen Datenbanken und Angebote in den letzten Monaten für Sie freigeschaltet wurden. Entdecken Sie alte und neue Schätze der Ostasiensammlung: die Typographia Sinica – das wahrscheinlich älteste Set an Drucktypen chinesischer Schriftzeichen in Europa, das Berliner Hongpiao-Exemplar – einer Proklamation aus dem kaiserlichen Druckhaus des Qing-Kaisers Kangxi, sowie Fotos aus dem Südwesten Chinas im frühen 20. Jahrhundert – eine Reisebeschreibung zum Nachlass Fritz und Hedwig Weiss. Wir berichten über die erste Ausgabe der Interdisziplinären Zeitschrift für Südasienforschung und nicht zuletzt, lesen und lernen Sie, wie Sie nach mongolischer Literatur in unserem Ostasien-OPAC recherchieren und welche Transliterationssysteme Sie dazu verwenden können.
Wir hoffen, Ihnen gefällt das neue Format unseres Newsletters und Sie haben vielleicht Interesse am CrossAsia Blog, in welchem wir laufend zu unseren Aktivitäten berichten: https://blog.crossasia.org/
Was macht eigentlich CrossAsia darüber hinaus noch und was ist für die kommenden Monate geplant? Und wie schaut die Fachcommunity auf den FID? Eine aktuelle Vorstellung des FID sowie ein Interview zum FID mit Prof. Nicola Sparkowski von der Universität Freiburg und Matthias Kaun von der Staatsbibliothek zu Berlin finden Sie auf H-Soz-Kult – und bei uns im Blog. Wir freuen uns, wenn Sie in die Diskussion mit einsteigen und uns Ihre Kommentare zu unserer Arbeit und unseren Vorhaben im CrossAsia Forum zukommen lassen, oder unter x-asia@sbb.spk-berlin.de.
Wir freuen uns über Ihre Rückmeldung!
Frohe Weihnachten und alles Gute zum Neuen Jahr!
Ihr CrossAsia-Team
Auf Informations- und Beschaffungsreise in Beijing, Shanghai und Haikou
/in Forschungsreisen, Newsletter 13/by Cordula GumbrechtVom 17. bis zum 28. Oktober unternahm Frau Dr. Cordula Gumbrecht eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Informations- und Beschaffungsreise nach China. Es wurden Gespräche mit unseren Lieferanten China International Book Trading Corp. (CIBTC) und Beijing Zhenben Technology Co.Ltd. geführt zu technischen Details hinsichtlich der im Rahmen des FID neu zu entwickelnden Services sowie dem Anbieter der e-books-Plattform cnpereading, China National Publications Import & Export(Group) Corporation (CNPIEC)., die derzeit zum Testen für CrossAsia zur Verfügung steht.
Auf Einladung von Herrn Gu Qing 顾青, Chefherausgeber des Verlags Zhonghua Shuju 中华书局, konnte die verlagseigene Bibliothek besichtigt werden, die seit Gründung des Verlags im Jahr 1912 besteht, in erster Linie den Lektoren zu Recherchezwecken zur Verfügung steht, bei Bedarf aber auch an Forscher ausleiht, und zu deren Beständen u.a. eine beachtenswerte Sammlung Minguo-zeitlicher Werke gehört. Mit Herrn Gu Qing wurden die Rahmenbedingungen für eine geplante gemeinsame Katalogpublikation erörtert.
In der Bibliothek des Verlags Zhonghua Shuju Bild: Staatsbibliothek zu Berlin, Cordula Gumbrecht (CC-BY-NC-SA)
Weitere gemeinsame Publikationsprojekte sowie die technische Umsetzung einer Kooperation im Bereich der Katalogisierung von chinesischen Rara-Beständen der Staatsbibliothek waren Thema bei einem Treffen mit dem Stellvertretenden Generaldirektor der Chinesischen Nationalbibliothek, Herrn Zhang Zhiqing 张志清, dem Direktor der Abteilung für internationale Kooperation, Herrn Zhang Xu , 张煦, sowie der Chefherausgeberin und Stellvertretenden Direktorin des Verlags der Nationalbibliothek Guojia Tushuguan Chubanshe 国家图书馆出版社, Frau Yin Mengxia 殷梦霞.
Im Lesesaal der National Library of China Bild: Zhongguo Guojia Tushuguan
An der Fudan-Universität in Shanghai konnte die vom dortigen Department of History 复旦大学历史学系sowie dem Editorial Office der Zeitschrift Jindaishi yanjiu近代史研究 (“Modern Chinese History Studies“) veranstaltete Tagung Haiwai jinxiandai Zhongguoyanjiu shiliao de shoucang, zhengli yu yanjiu. Guoji xueshu yantaohui海外近现代中国研究史料的收藏、整理与研究. 国际学术研讨会(„International Conference on the Collection and Use of Overseas Chinese Resources”) http://www.duxuan.cn/doc/27268454.html besucht werden. Teilnehmer waren u.a. Vertreter aus europäischen und asiatischen Bibliotheken bzw. Forschungseinrichtungen, wie Uchida Keiichi 内田庆市 von der Kansai University, der über seine neuesten Entdeckungen von Dokumenten für die Erforschung des Chinesischen referierte (新见域外汉语研究资料) und Clara Yu Dong 余东von der Biblioteca Apostolica Vaticana (罗马梵蒂冈图书馆) mit einem Vortrag über die chinesische Sammlung dortselbst (梵蒂冈图书馆中国历史文献的收藏和整理现状). Sergey Vradiy berichtete über die beachtenswerte Sammlung chinesischer und manjurischer Rara in der Bibliothek der Russia Academy of Sciences Far Eastern Branch in Vladivostok (俄罗斯远东图书馆中国文献:海参崴东方研究所的遗产), ehemals Oriental Institute, Vladivostok, die dort seit Gründung des Instituts im Jahr 1899 systematisch in Buchhandlungen bzw. bei Forschungsreisen vor allem in Nordchina (beispielsweise 1901 durch Apollinariy V. Rudakov in der Palastbibliothek in Mukden) für Forschungs- und Lehrzwecke erworben wurden und von denen sich heute – nach Transfers an die Bibliothek des Oriental Department der St. Petersburg University im Jahr 1903 bzw. an das Institute of Oriental Studies der USSR Academy of Sciences in Leningrad im Jahr 1935 – noch 2 bis 3.000 Bände in Vladivostok befinden. Chang Che-chia 張哲嘉vom Institute of Modern History der Academia Sinica, Taiwan, nutzte die Gelegenheit der Tagung, die seitens des Archivs der Academia Sinica fertiggestellte Datenbank Jindaishi shuwei ziliaoku 近代史数位资料库vorzustellen (中研院近史所档案与史料的数字经验). Cordula Gumbrecht hielt einen Vortrag über die chinesische Sammlung sowie die Digatalisierungsprojekte der Ostasienabteilung (柏林国家图书馆东亚部: 收藏古籍及整理数字化编目近况).
Teilnehmer der („International Conference on the Collection and Use of Overseas Chinese Resources”. Bild: Fudan University Department of History
In Haikou konnte der Verlag Hainan Chubanshe 海南出版社 besucht und Einblick in das Verlagsprogramm gewonnen werden. An der Bibliothek der Hainan Shifan Daxue 海南师范大学hielt Cordula Gumbrecht einen Vortrag zu den Projekten und Services der Ostasienabteilung. Eine Führung durch das Rara-Magazin der Bibliothek gewährte Einblick in die dortige beachtliche Spezialsammlung örtlicher, im Privatdruck hergestellter, Familiengenealogien.
Besuch aus der National Library of China
/in Aktuelles, Besuche/by Cordula GumbrechtAm 02.12.2016 weilte eine Delegation der National Library of China in der Staatsbibliothek zu Berlin. Gekommen waren Herr Wei Dawei 魏大威 (Deputy Director of NLC), Frau Xin Lu 辛璐 (Deputy Head of NLC Office), Herr Li Zhiyao 李志尧 (Assistant of Deputy Director of Digital Resource & Service Department), Frau Zhang Wei 张炜 (Head of Digital Resources Integration Section) und Herr Liu Fengting 刘沣霆 (Digital Resources Copyright Management Section), um sich einen Einblick in die Arbeit der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB) zu verschaffen und die Arbeit der Staatsbibliothek zu Berlin (SBB) und ihrer Ostasienabteilung bzw. CrossAsia kennenzulernen. Nach einführenden Bemerkungen durch Herrn Reinhard Altenhöner (Ständiger Vertreter der Generaldirektorin der SBB) zur Geschichte der Staatsbibliothek, ihren Aufgaben, herausragenden Sammlungen und Aktivitäten im Bereich der Digitalisierung sowie ihrer Kooperation mit der DDB gab Frau Dr. Ellen Euler (Stellvertreterin des Geschäftsführers Finanzen, Recht, Kommunikation Leiterin Recht und öffentliche Angelegenheiten der DDB) eine Präsentation zum Thema “Deutsche Digitale Bibliothek: Aggregation Network for Germany’s Cultural Heritage. A Joint Venture of Many Players”. In der anschließenden Gesprächsrunde zeigte sich ein spezielles Interesse der Gäste insbesondere an der Organisationsstruktur der DDB.
Der Besuch der Delegation gab Herrn Matthias Kaun und Frau Dr. Cordula Gumbrecht Gelegenheit zum Austausch über zukünftige Kooperationen im Bereich der Digitalisierung, Nutzung von Datenbanken sowie der Erschließung der Bestände. Eine Präsentation von chinesischen Rara der Ostasienabteilung sowie ein Rundgang durch das Haus an der Potsdamer Straße rundeten den Besuch ab.
International Conference on Cooperative Development and Sharing of Chinese Resources
/in Aktuelles, Fachinformationsdienst, Newsletter 13, Veranstaltungen/by CrossAsiaAb dem 25. Oktober 2016 fand in Macao die “International Conference on Cooperative Development and Sharing of Chinese Resources” statt. Die dreitägige Konferenz, die jetzt zum elften Mal tagte, geht zurück auf Kooperationsanstrengungen und den Bedarf am Informationsaustausch derjenigen Bibliotheken und Informationseinrichtungen, die mit chinesischen Materialien arbeiten. Seit ihrem Bestehen wurden 14 kooperative Erschließungs- und Digitalisierungsprojekte erfolgreich durchgeführt.
Die Tagung wird vom Council of the Conference on Cooperative Development and Sharing of Chinese Resources (CCDSCR) ausgerichtet, das derzeit an der Nationalbibliothek der VR China angesiedelt ist. Die Organisatoren der diejährigen Tagung waren das Department of Public Library Management of the Cultural Affairs Bureau of the Macao SAR Government und die Macau Library and Information Management Association.
Teilnehmer der 11. CCDSCR. Bild: MSAR Cultural Affairs Bureau
In diesem Jahr stand die Tagung unter dem Motto: „Post-digital Era – the Cooperation, Utilization and Promotion of Chinese Resources“. Die mehr als 100 Konferenzteilnehmerinnen und Teilnehmer hatten die Gelegenheit bei vier Keynote speeches und elf Berichten zu aktuellen Projekten mehr über die zahlreichen internationalen Anstrengungen im Bereich Nutzung und Präsentation chinesischer Ressourcen zu erfahren. Dieses Jahr waren auch eine Kollegin und zwei Kollegen aus Europa eingeladen, namentlich Sara Chiesura aus der British Library, Thomas Tabery aus der Bayerischen Staatsbibliothek und Matthias Kaun aus der Staatsbibliothek zu Berlin. Sara Chiesura berichtete über das internationale Digitalisierungsprojekt der British Library, in dem Orakelknochen erschlossen, beschrieben, in einem 3-D Verfahren gescannt und schließlich online präsentiert werden. Thomas Tabery präsentierte das Sinica Digitalisierungsprojekt der Bayerischen Staatsbibliothek. Matthias Kaun stellte in seiner Keynote speech „CrossAsia – a German National Infrastructure for East Asian Studies“ die Aktivitäten im Bereich der Ostasiensammlung, der Lizenzierungspolitik und insbesondere der geplanten Services im Bereich Digital Humanities vor.
Schwerpunkt der anderen Vorträge waren vor allem die Aktivitäten und Projekte in Macao sowie internationale Kooperationen in Ost- und Südostasien. Alle Präsentationen sind über die Webseite der Tagung öffentlich zugänglich.
Testzugang zu CNPIEC eReading
/in Aktuelles, Datenbanken/by CrossAsiaBis zum 11. Februar nächsten Jahres können wir unseren registrierten Nutzerinnen und Nutzern einen Testzugang zur eBook-Plattform CNPIEC eReading anbieten. Insgesamt finden sich hier derzeit mehr als 120.000 Titel aus den Jahren 1819 bis 2016, darunter auch eine beachtliche Zahl aus der Republik-Zeit, die im Volltext durchsucht werden können. Für diesen Testlauf wurden uns vorerst 515 Titel angeboten, für die neben der Volltextsuche auch Funktionalitäten wie Download und Druck zur Verfügung stehen. Sie gelangen zu diesen Titeln im “Organization center” durch Anklicken von “All subscriptions” oder auch “Books subscription”.
Screenshot Organization center
Wir freuen uns über Ihre rege Nutzung und Rückmeldungen, ob Sie an einer dauerhaften Nutzung der eBook-Plattform in CrossAsia – dann in Form eines PDA-Erwerbungsmodells – interessiert sind, wie immer unter x-asia(at)sbb.spk-berlin.de oder im Forum!
“Interdisziplinäre Zeitschrift für Südasienforschung” – Erste Ausgabe Online!
/in E-Publishing, Fachinformationsdienst, Neuerscheinungen, Newsletter 13/by Nicole Merkel-HilfDie erste Ausgabe der Open Access Zeitschrift Interdisziplinäre Zeitschrift für Südasienforschung ist seit Oktober online.
Im aktuellen Heft lesen Sie:
Die Interdisziplinäre Zeitschrift für Südasienforschung (IZSAF) ist eine elektronische, peer-reviewed Open Access Zeitschrift, die vor allem Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern, deren Forschungsarbeit einen Bezug zu Südasien aufweist, eine Plattform zur Veröffentlichung ihrer Forschungsergebnisse bzw. zur Vorstellung geplanter Forschungsvorhaben in deutscher und englischer Sprache bietet. IZSAF ist offen für neue Formate und publiziert auch Fotoessays, um Themen der Südasienforschung auf visuelle Weise zu präsentieren.
Unser Editorial Board besteht aus einem Team junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die eine große Bandbreite südasienwissenschaftlicher Forschung abdecken: Christopher D. Bahl (London), Tobias Berger (Wien), Christoph Bergmann (Heidelberg), Carmen Brandt (Halle), Simon Cubelic (Heidelberg), Maria Framke (Rostock), Sarah Holz (Berlin), Natalie Lang (Göttingen), Johannes Rosenbaum (Bamberg), Fritzi-Marie Titzmann (Leipzig) und Anna-Lena Wolf (Bern).
Die Interdisziplinäre Zeitschrift für Südasienforschung (IZSAF) erscheint zweimal jährlich, im Oktober und April.
Sollten Sie Interesse an einer Veröffentlichung in der IZSAF haben, dann schicken Sie einen kurzen Abstract Ihres Beitrages an unsere Kontaktadresse: izsaf@sai.uni-heidelberg.de
IZSAF ist ein Angebot von CrossAsia im Rahmen des DFG-geförderten Fachinformationsdienst Asien (FID Asien).
H-Soz-Kult: Interview zum FID CrossAsia – Asien
/in Fachinformationsdienst/by CrossAsiamit Nicola Spakowski (Univ. Freiburg) und Matthias Kaun (Staatsbibliothek zu Berlin)
H-Soz-Kult: Herzlichen Dank an sie beide für Ihre Bereitschaft zu unserem Gespräch über die entstehenden Fachinformationsdienste (FID). Frau Spakowski, Sie als Fachwissenschaftlerin für Sinologie und moderne Geschichte Chinas möchten wir zuerst einmal um eine Einschätzung zum FID CrossAsia – Asien bitten: Welche Zielstellungen des FID CrossAsia – Asien begrüßen Sie und welche schätzen Sie eher kritisch ein?
Nicola Spakowski: Zunächst ist festzustellen, dass CrossAsia ein Angebot darstellt, das seit 2002 existiert, 2006 den Namen CrossAsia erhielt und bis 2015 mit dem Namenszusatz „Virtuelle Fachbibliothek Ost-, Südost- und Zentralasien“ versehen war. Jetzt erfolgt der Übergang zum sogenannten „Fachinformationsdienst“. Im FID CrossAsia wird offensichtlich bereits Bestehendes fortgesetzt, weiterentwickelt und um neue Angebote ergänzt. Insgesamt freue ich mich, dass CrossAsia weiterhin DFG-Förderung erhält, und kann wohl für alle KollegInnen meines Faches sagen, dass das Angebot immer begrüßt und gut angenommen wurde. Inwiefern gerade CrossAsia eine Anpassung an die neuen Richtlinien der DFG für die FID erfährt, ist mir allerdings nicht ganz klar.
Matthias Kaun: In den Diskussionen um die Beendigung des seit mehr als fünfzig Jahren DFG-geförderten SSG-Systems wurde die Frage nach der Zukunft der Sammlung als Angebot an die Wissenschaft intensiv thematisiert. Als dann in den ersten Phasen der FID-Antragsrunden viele ehemalige SSG keine Förderung als FID erhielten, spitzte sich die Frage weiter zu. Aus meiner Sicht, die sich vor allem auf eine weit entfernte Region und einen bislang noch relativ klar umrissenen Nutzerkreis konzentriert, war bereits vor mehr als zwölf Jahren offensichtlich, dass die Integration elektronischer Ressourcen und eine einfache, schnelle und verlässliche Zugänglichkeit das sind, was ein überregionales Angebot aus und über diese Region für die Wissenschaft ausmachen kann. Und ich gehe noch heute davon aus, dass nur solche zeitgemäßen Angebote zu einer wirklichen, tiefen Akzeptanz in der Wissenschaft führen können, die über politische Meinungsbildungsprozesse hinausreichen. Mit der Region Asien haben wir das Glück, dass es offensichtlich ist, sowohl aktuelle Forschungsinteressen akut zu beantworten, darüber hinaus ist es aber gleichermaßen wichtig, vorausschauend zu erwerben bzw. dauerhafte Nutzungsrechte an elektronischen Ressourcen zu lizenzieren. Was Sie heute aus Vietnam nicht erwerben, wird in fünf Jahren um vieles schwerer, wenn nicht unmöglich zu erwerben sein. Für die Region, für die wir jetzt verantwortlich sind, gibt es natürlich Unterschiede in der Zugänglichkeit von Materialien, die wir durchaus bei unseren Erwerbungsentscheidungen berücksichtigen. Was immer wichtig war und weiterhin wichtig ist: Diejenigen, die unsere Sammlung nutzen, haben seit jeher die Möglichkeit, Erwerbungsvorschläge zu machen und uns auf Dinge aufmerksam zu machen, die sie für ihre Forschung brauchen. Das wird im FID Asien noch einmal mehr betont, sowohl für den gedruckten wie auch den elektronischen Bereich, und wo möglich, ist Letzterem der Vorzug gegeben. Wir bieten z.B. ein großes Portfolio von elektronischen Büchern aus Taiwan an, die wir erst dann dauerhaft lizenzieren, wenn diese auch genutzt werden. Der Zugang ist aber sofort möglich, und keine Nutzerin oder Nutzer des Angebots merkt, dass hier ein gänzlich anderer „Erwerbungsansatz“ zu Grunde gelegt wird. Insofern wird CrossAsia im Bereich der Erwerbung und Lizenzierung den seit Jahren konsequent eingeschlagenen Weg als FID weiterführen. Das haben wir in unserem Antrag an die DFG deutlich gemacht, und die Gutachterinnen und Gutachter sind uns hier gefolgt.
Nicola Spakowski: Grundsätzlich wird ja problematisiert, dass mit der Einrichtung der FID ein umfassender Bestandsaufbau durch Angebote entlang der Nutzerinteressen ersetzt wird. Hier könnte Herr Kaun vielleicht ergänzen, in welchem Verhältnis CrossAsia diese beiden Strategien zukünftig verfolgen wird. Es stellt sich dabei natürlich die grundsätzliche Frage, wie realistisch es überhaupt wäre, für ein Sammelgebiet „Asien/Asienwissenschaften“ mit seinen Subregionen, Teil- und Subdisziplinen sowie, innerhalb der Teildisziplinen (z.B. der Sinologie), heterogenen Ansätzen wirklich umfassende Bestände aufzubauen bzw. was „umfassend“ für die Teildisziplinen überhaupt bedeuten würde.
Matthias Kaun: Wir sprachen in SSG-Zeiten immer von der „relativen Vollständigkeit“. Wir sind als Sammlung für die Abdeckung eines „Spitzenbedarfs“ verantwortlich; auch dieses Wort ist ein Terminus technicus der Fördereinrichtung, der mal mehr, mal weniger hilfreich erscheint. Generell versuchen wir, so umfassend und vorausschauend zu sammeln wie möglich – und denken dabei sowohl an die heterogenen Märkte und verschiedene Nutzungsszenarien. Was uns jetzt für den FID Asien z.B. gelungen ist, ist die Integration des Schwerpunktes Wirtschaft in das Sammelspektrum. Hier konnten wir in SSG-Zeiten aufgrund der programmatischen Rahmenbedingungen nicht sammeln; nun teilen wir uns die Verantwortung mit der Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften der Leibniz-Gemeinschaft. Ich betone gerne immer wieder: Die Sammlung in Berlin ist eine Sammlung zu und über Ost-, Zentral- und Südostasien. In Teilaspekten kann sie als sinologische oder japanologische Sammlung verstanden werden, aber sie war und ist immer mehr. Das läuft im Prinzip parallel zu den völlig verschiedenen Themen, mit denen sich – nicht nur heute – die Sinologie, Japanologie, Zentralasienwissenschaften usw. beschäftigen. Und über diese (regional)wissenschaftlichen Fächer hinaus, nehmen wir in den letzten Jahren wachsende Anfragen von Seiten der Sozialwissenschaften, der historisch orientierten Forschung oder auch der Rechtswissenschaften wahr. Und auch hier sind wir verantwortlich.
H-Soz-Kult: Und wie sieht es mit den konkreteren Zielsetzungen von CrossAsia aus?
Nicola Spakowski: Die einzelnen Elemente von CrossAsia erscheinen mir sinnvoll, ohne dass ich behaupten könnte, dass ich persönlich alle nutzte bzw. zukünftig nutzen werde. CrossAsia deckt auf jeden Fall ein breites Spektrum an Angeboten und Dienstleistungen ab, wobei sich eher konservative NutzerInnen auf den bloßen Zugriff auf Ressourcen beschränken, dem Digitalen aufgeschlossenere NutzerInnen hingegen zusätzlich technische Dienstleistungen in Anspruch nehmen werden. Im Zentrum von CrossAsia stehen auf jeden Fall der Direktzugriff auf (meist lizenzpflichtige) elektronische Ressourcen sowie der Blaue Leihverkehr, über den gedruckte Werke aus Berlin an anderen Orten eingesehen werden können. Der Zugriff auf lizenzpflichtige elektronische Ressourcen, der im Falle von CrossAsia tatsächlich breite Fachinteressen bedient – vom vormodernen bis zum gegenwärtigen China, von der Philosophie bis zur Politikwissenschaft – stellt eine extreme Erleichterung dar, was den Zugang zu Quellen anbelangt. Ich werde das unten noch in Bezug auf meine eigene Forschung erläutern. Der Service der „Digitalisierung on Demand“ fällt ebenfalls in die Kategorie der Bereitstellung von Ressourcen. Dass für einen überregionalen Dienst elektronische Elemente bevorzugt werden, ist plausibel und sollte selbst diejenigen überzeugen, die (wie ich) nicht gerne am Bildschirm lesen. Das zweite Bündel an Elementen bezieht sich auf die Kommunikation mit der Fachcommunity (Newsletter, Forum, Schulungen). Diese Elemente sind außerordentlich wichtig, weil CrossAsia entlang der Nutzerinteressen entwickelt wurde und weiterentwickelt wird, weshalb es auf die Interessenbekundungen und Rückmeldungen der Nutzer angewiesen ist. Im Falle der Sinologie, die keinen Fachverband hat, ist diese Kommunikation vermutlich stärker individualisiert als in anderen Disziplinen und mit den genannten Elementen (und hier und da einem Telefonat) gut durchführbar. Die Erfahrung zeigt, dass Anfragen und Anregungen an CrossAsia schnell und konstruktiv beantwortet und Bestellwünsche aufgenommen werden. CrossAsia bietet dezentralisierte Schulungen an, die wir in Freiburg für fortgeschrittene Bachelor- und für Masterseminare auch schon genutzt haben. Schließlich gehören zu CrossAsia Angebote, die eher im Bereich der technischen Erschließung digitaler Bestände und technischer Hilfestellungen liegen: Suchfunktionen, individualisierte Profildienste, Einrichtung virtueller Arbeitsgruppen, die Bereitstellung von Editionsverfahren im Rahmen der Digital Humanities usw. CrossAsia erweist sich hier als sehr ambitioniert, gleichzeitig aber weiterhin offensichtlich an den Nutzerinteressen orientiert, wenn wir an die Generation der „digital natives“ denken, aber auch an die Initiativen verschiedener Institute, mit Methoden der Digital Humanities zu arbeiten und wichtige Archivbestände digital zugänglich zu machen. Hier ist ein zentrales Angebot der technischen Hilfestellung mit Sicherheit wertvoll, um sicherzustellen, dass digitalisierte Bestände wirklich sinnvoll genutzt werden können. Ich selbst arbeite nicht in diesen Bereichen und hinke digitalen Neuerungen in der Regel hinterher. Ich fände es aber hilfreich, Konkreteres über genau diese technischen Dienstleistungen von CrossAsia zu erfahren. Welche Vorteile hat der zukünftige Nutzer von den genannten Elementen? Gibt es im Bereich der Digital Humanities bereits Erfahrungen bei konkreten Projekten?
Matthias Kaun: Wir haben in den letzten Jahren mit Hilfe der DFG und auch anderen Fördereinrichtungen wie dem Projektträger des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, dem Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), der Korea Foundation, aber auch den deutschen Instituten, die CrossAsia nutzen, sehr viel realisieren können. Wenn wir ein Buch erwerben, stellen wir es, mit einer Signatur versehen, bei uns ins Regal. Dort wartet es dann, bis es zu einem Ausleihvorgang kommt. Bei den elektronischen Materialien sieht das Ganze ein wenig anders aus. Die schnelle Zugänglichkeit ist für ein überregionales Angebot ein wichtiges Kriterium. Wir haben sehr viel Zeit und Gedanken in unsere Lizenzverträge mit den Anbietern bzw. Rechteinhabern gesteckt. Wir haben i.d.R. dauerhafte Nutzungsrechte, wir haben das Recht auf Archivierung und Hosting, und seit etwa vier Jahren verhandeln wir das Recht mit, dass unsere Nutzerinnen und Nutzer über das Lesen hinaus mit den Daten der elektronischen Ressourcen mehr anfangen dürfen, als nur lesen oder ggf. ausdrucken. Wir werden in der ersten Förderphase des FID eine Art elektronisches Magazin für die Materialien aufbauen und betreiben, das es uns ermöglichen wird, digitale (Voll-)Texte über eine gesicherte Verbindung unseren Nutzerinnen und Nutzern zur Verfügung zu stellen. Wir müssen diese Mechanismen entwickeln, da wir auf der einen Seite die Wissenschaft mit den lizenzierten Inhalten versorgen möchten und gleichzeitig die Einhaltung der Lizenzverträge gegenüber den Rechteinhabern einzuhalten haben. Die lizenzpflichtigen Inhalte können nicht einfach allen zur Verfügung gestellt werden, sondern in unserem Fall nur unseren registrierten Nutzerinnen und Nutzern. Wir haben hier in der Staatsbibliothek ein Konzept erstellt und hoffen, noch in diesem Jahr erste Ergebnisse zu erzielen. Da wir von sehr heterogenen Daten in den unterschiedlichsten Formaten und Kodierungen etc., von Zeitungen, Zeitschriften, vormodernen Texten, Statistiken usw. sprechen, ist klar, dass die Aufgabe nicht klein ist; ich gehe aber schon davon aus, dass wir das schaffen werden. Wir benötigen es aus mehreren Gründen: Zusammen mit dem Max-Planck Institut für Wissenschaftsgeschichte hier in Berlin, die ein Projekt zu vormodernen chinesischen Lokalchroniken durchführen, sind wir als „Infrastrukturpartner“ mit im Boot. Wir haben – auch mit finanzieller Unterstützung des MPIWG – die Inhalte lizenziert und bieten diese nun prototypisch über eine Schnittstelle den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die am MPI in diesem Projekt forschen, an. Hier werden dann die Inhalte eben nicht mehr „nur“ gelesen, sondern es werden automatisierte Auszeichnungen an den Texten vorgenommen, es werden Inhalte herausgezogen und ggf. neu gruppiert. Alles Dinge, die mit einem normalen, lesenden Zugang zu Texten nicht realisierbar sind. Wir gehen davon aus, nach Ende der ersten Projektphase 2018 dann eine generelle Lösung für die Versorgung der Wissenschaft mit digitalen Inhalten jenseits der Anbieterplattformen für das freiere Arbeiten mit den Materialien anbieten zu können. Ich bin da optimistisch und halte es für sinnvoll und richtig, dass wir zumindest solche wesentlichen Sammlungen für die vormodernen Chinawissenschaften wie die qingzeitliche Schriftensammlung „Siku Quanshu“ oder – dann für die moderne Chinaforschung – die chinesische „Volkszeitung“ (Renmin Ribao) und andere anbieten können. Der Bedarf ist vielleicht heute noch nicht so groß; wir gehen aber davon aus, dass diese Anfragen in Zukunft stärker an uns herangetragen werden – und damit dann auch die Vorteile elektronischer Ausgaben erst wirklich genutzt werden können. Wir müssen dann nicht nur Antworten und Hilfestellungen für unsere Nutzer haben, sondern als Infrastruktureinrichtung auch zukunftssichere Lösungen anbieten können. Auf der anderen Seite müssen wir natürlich die Lizenzgeber überzeugen, dass wir alles machen, um die Rechte nicht zu verletzen.
Wir gehen auch davon aus, dass die Ergebnisse der Arbeiten mit den digitalen Inhalten – im besten Fall – wieder nach CrossAsia zurückfließen werden, dann natürlich idealerweise im Bereich des Open Access bzw. Open Data. Wir wissen sehr wohl, dass die europäische Forschungslandschaft für den Bereich der Asienwissenschaften extrem heterogen aussieht. Deutschland ist – das darf ich hoffentlich so sagen – im Bereich Informationsinfrastruktur trotzdem gut versorgt. Das alte SSG-System hat genau diesen Zustand zum Ziel gehabt, und wir konnten ihn erfolgreich verwirklichen. In Deutschland haben die WissenschaftlerInnen Zugriff auf Dinge, die sonst vielleicht nur in Harvard oder in Tokyo verfügbar sind. Diese Unausgeglichenheit in Europa, die auch jahrzehntelang in Deutschland für den Bereich der Asienwissenschaften vorherrschte, schwächt einen Forschungsstandort. Andere europäische Länder sind heute deutlich schlechter gestellt. Insofern erhoffen wir uns auch, dass das Arbeiten mit den digitalen Volltexten zumindest im Kleinen, über Open Data, dafür sorgen wird, dass die Ergebnisse aus dem Bereich der digitalen Wissenschaften zu einem Teil die kommerzielle Datenbanken für die weltweite Forschung aufschließen.
Nicola Spakowski: Ich bin allerdings, ehrlich gesagt, skeptisch, ob eine digitale Publikationsplattform wirklich auf Nachfrage stoßen wird. Selbst wenn sich der „Open Access“-Gedanke weiter durchsetzen sollte, würde CrossAsia mit einer Vielzahl anderer Initiativen konkurrieren, sowohl lokalen als auch internationalen. Hier müsste CrossAsia unter Beweis stellen, dass es den in der Regel international orientierten AsienwissenschaftlerInnen das attraktivste Angebot für diese Publikationsform zur Verfügung stellt.
Matthias Kaun: Ich hoffe schon, dass wir uns sowohl im Bereich Open Science, Open Data und eben auch Open Access gut positionieren können und erfolgreich sein werden. Überall da, wo heute Fördergelder von der DFG oder auch der EU genutzt werden, sollten oder müssen die Ergebnisse OA veröffentlicht werden. Mir geht es jetzt nicht darum, den Heidelberger Appell zu thematisieren; aber ich denke, es ist für die Wissenschaft interessant und attraktiv zugleich, wenn die Infrastruktur CrossAsia, die ggf. die Forschung mit ermöglicht hat, auch die Plattform ist, auf der sowohl die Forschungsdaten (auch die benötigen ein Zuhause) als auch die Forschungsergebnisse veröffentlicht, verbreitet und gesichert werden. Und mit CrossAsia E-Publishing gehen wir auch noch einen Schritt weiter und bieten neben der Online-Publikation Print-on-Demand Dienste in Verlagsqualität an. Zudem kann das gedruckte Buch über verschiedene Plattformen, wie buchhandel.de oder Amazon gekauft werden, was die Attraktivität des Angebot für die Wissenschaft steigern wird
H-Soz-Kult: Frau Spakowski, Ihre aktuellen Forschungsprojekte beschäftigen sich mit Konzepten der Zukunft, Feminismus und Frauenbewegung und dem Phänomen der Arbeiterhelden in China. Für unsere breite Leserschaft möchten wir Sie bitten, uns Ihre aktuellen Forschungsthemen etwas näher vorzustellen. Dabei sind wir insbesondere daran interessiert zu erfahren, wie ihre persönliche Recherchestrategie aussieht und welche Bedeutung Sie den bisher zur Verfügung stehenden Informationsangeboten von Bibliotheken und Informationsdienstleistern zumessen.
Nikola Spakowski: Längerfristig arbeite ich an einer Geschichte der Zukunft in China, die von den 1930er-Jahren bis in die Gegenwart reicht. Hier geht es um Zugänge zu Zukunft an Wendepunkten der chinesischen Geschichte, momentan konkret um städtische Zukunftsvorstellungen in den 1930er-Jahren, vor Ausbruch des Krieges mit Japan. Zu diesem Zeitpunkt konkurrierten technokratische Konzepte der Regierung mit Visionen einer sozialistischen Industriegesellschaft, wie sie von vielen städtischen Intellektuellen formuliert wurden. Zwei wichtige Quelleneditionen habe ich bei einem Forschungsaufenthalt in China erworben – hätte sie aber auch über die „Chinamaxx EBook library“ von CrossAsia herunterladen können. Die Zeitschriften- und Zeitungsartikel aus der Zeit beziehe ich aus der Datenbank für die Tageszeitung „Shenbao“ sowie der Zeitschriftendatenbank für die späte Qing- und die Republikzeit (insgesamt 1833-1949), auf die ich ebenfalls über CrossAsia Zugriff habe. Dies gewähreistet zwar keine vollständige, aber doch repräsentative Erfassung der existierenden Quellen.
Ein zweites aktuelles Forschungsthema sind die Arbeiterheldinnen und -helden Chinas von den 1920er- bis zu den 1960er-Jahren, die wir im Rahmen des Freiburger SFB „Helden, Heroisierungen, Heroismen“ mit ihren russischen Pendants vergleichen. Sie haben eine sehr wichtige Funktion als Akteure und Symbole der sozialistischen Transformation im Allgemeinen und der Umstrukturierung der agrarwirtschaftlichen und industriellen Produktion im Besonderen. Das Thema ist in westlichen Sprachen kaum behandelt, und wir stehen selbst noch am Anfang des Projektes. Bisher haben wir uns vor allem einen Überblick über die politischen Rahmenbedingungen und die kommunistische Heldenpolitik verschafft, und zwar vorrangig über chinesischsprachige wissenschaftliche Artikel aus der „China Academic Journals“-Datenbank und über chinesische Dissertationen, die ebenfalls über CrossAsia abgerufen werden können. Neben Interviews arbeiten wir hauptsächlich mit schriftlichen Quellen, die wir teilweise aus Archiven beziehen, teilweise sind sie veröffentlicht. Auch hier sind die Datenbanken von CrossAsia extrem hilfreich. Dies betrifft digitalisierte Quelleneditionen, Datenbanken zur Parteigeschichte, Lokalchroniken, die „Volkszeitung“ als Medium der Propagierung nationaler Helden usw. In China wird sehr viel digitalisiert, sowohl aktuell relevantes als auch historisches Material. Es gibt aber auch Grenzen: Lokal- und Provinzzeitungen sowie populäre Publikationen, z.B. Comicheftchen mit großer Auflage, die alle für das Projekt wichtig sind, sind nicht digitalisiert. Politisch sensibles Material ist grundsätzlich schwer zugänglich, gerade für Ausländer, aber hier können chinesische KollegInnen oft helfen. Die genannten populären oder lokalen Quellen können wir nur in chinesischen Bibliotheken einsehen oder anderweitig in China beschaffen, etwa in Antiquariaten oder von Sammlern. Ein drittes Thema sind Entwicklungen im chinesischen Feminismus, die ich schon lange verfolge, mit einem Untersuchungszeitraum, der von den 1920er-Jahren bis in die Gegenwart reicht. Hier habe ich jüngst einen Beitrag zu aktuellen Diskussionen um das sozialistische Erbe verfasst, also die Frage, ob die Frauenpolitik unter Mao Zedong Frauen lediglich als Arbeitskräfte instrumentalisiert oder echte Fortschritte für Frauen erzielt hat. In Bezug auf aktuelle Debatten spielen natürlich Gespräche mit Aktivistinnen eine wichtige Rolle. Außerdem habe ich mit der genannten „China Academic Journals“-Datenbank derzeit Volltextzugriff auf 10.232 chinesische Fachzeitschriften mit über 56 Millionen einzelnen Artikeln, die seit 1951 veröffentlicht wurden. Für den Zeitraum vor 1949 steht die Volltextdatenbank für Periodika der Jahre 1833 bis 1949 zur Verfügung. Sie ist bei weitem nicht so umfassend und lässt auch keine Volltextsuche zu. Trotzdem kann ich über diese beiden Datenbanken große Teile meines Quellenbedarfs für dieses Projekt abdecken.
H-Soz-Kult: Bitte verraten Sie uns auch noch, welche forschungspraktische Bedeutung das bisherige Sondersammelgebiet Ost- und Südostasien und die Virtuelle Fachbibliothek Ost-, Südost- und Zentralasien (CrossAsia) für Sie hat bzw. hatte.
Nicola Spakowski: CrossAsia ist für mich unersetzlich, und ich nutze das digitale Angebot fast täglich. Den “Blauen Leihverkehr” nutze ich sporadisch. Ich habe in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre studiert, wo kleine, extrem selektiv ausgestattete sinologische Seminarbibliotheken sowie der Sammelschwerpunkt der Staatsbibliothek Berlin, der spezielle Themen eben doch nicht abdeckte, den einzigen Zugang zu chinaspezifischer Literatur in Deutschland darstellten. Lange Rechercheaufenthalte in China waren die einzige Alternative. Gleichzeitig waren die Möglichkeiten in China damals aus anderen – politischen, infrastrukturellen – Gründen ebenfalls sehr begrenzt. Recherchen in chinesischen Archiven und Bibliotheken sind extrem mühsam, und mit der umfangreichen Digitalisierung, die in China selbst vorangetrieben wird, wurde die Quellenbeschaffung deutlich erleichtert. CrossAsia konnte und kann viele forschungspraktische Probleme gut auffangen, wenn auch nicht alle lösen. In jedem Fall haben sich über CrossAsia die Recherchemöglichkeiten in Deutschland immens ausgeweitet. Die Freiburger Sinologie nutzt übrigens CrossAsia auch intensiv in forschungsnahen Seminaren bzw. den zugehörigen Lehrveranstaltungen zur Quellenlektüre, wo bereits unsere fortgeschrittenen Bachelorstudierenden mit originalsprachigen Quellen arbeiten müssen, die Studierenden des Masterstudienganges sowieso. Es handelt es sich dabei um Lexikonartikel, Zeitungsartikel, wissenschaftliche Aufsätze, politische Dokumente und Romane. Wir üben im Kurs zum einen die Benutzung der entsprechenden Datenbanken. Zum anderen geht es um die Erschließung dieser Texte mit den jeweils relevanten Methoden.
Es wäre für mich aber auch sehr interessant zu erfahren, wie sich die Entwicklungen seit den 1980er-Jahren aus Sicht eines Fachbibliothekars darstellen: Inwiefern spiegeln die chinabezogenen Angebote von CrossAsia die chinesische Publikationspolitik wider? Gibt es eine Erklärung für den chinesischen Digitalisierungsboom, und stellt China hier eine Ausnahme dar? Unterscheidet sich China in seiner Lizenzpolitik von anderen Ländern?
Matthias Kaun: In der Tat lassen sich mehrere Schichten des chinesischen Publikationsmarktes – und ich inkludiere hier jetzt auch den taiwanischen Markt – identifizieren. Vor und in den frühen achtziger Jahren waren es vor allem Taiwan und die „chinesischen“ Verlage in den USA, die die Wissenschaft mit Material versorgt haben. Das staatliche chinesische Publikationswesen – und nur das gibt es im Prinzip – erlebte dann in den achtziger Jahren einen starken Aufwuchs. Dies war teilweise dadurch bedingt, dass China eben auch eine Schriftkultur mit einem riesigen Berg an Material ist, das z.B. neu veröffentlicht, neu ediert, neu kommentiert, neu herausgegeben usw. wurde. Viele dieser Veröffentlichungen stehen heute noch immer in den Institutsbibliotheken wie die chinesische Dynastiegeschichten, herausgegeben vom Verlag „Zhonghua shuju“. Die Qualität der chinesischen wissenschaftlichen Veröffentlichungen dieser Zeit bis ins neue Jahrtausend hinein wurde – auch gerade von Seiten der deutschen Wissenschaft – stark bemängelt und kritisiert. Das hat sich heute – sowohl was die Qualität betrifft als auch die Sicht auf die Leistung der chinesischen Wissenschaft – massiv verändert. Unsere Sammlung spiegelt diesen Zustand natürlich wider. Ich war sehr froh, als wir damals nach mehr als vier Jahren Verhandlungen Chinamaxx lizenzieren konnten. Chinamaxx bietet Zugang zu mehr als 700.000 Bänden chinesischer – vornehmlich – wissenschaftlicher Literatur. Es ist klar, dass gerade die Bestände aus der Zeit nach 1945 bis nach der Kulturrevolution in Bibliotheken nur schwach vertreten sind. Diese Lücke konnte z.B. hervorragend durch Chinamaxx mit geschlossen werden.
Wir müssen aber auch feststellen, dass wir in Asien mit völlig verschiedenen Märkten und auch unterschiedlichen Ansichten, was das Verlagswesen angeht, zurechtkommen müssen. Der Markt für wissenschaftliche elektronische Publikationen in Japan ist extrem überschaubar und schwierig. Der Markt ist gekennzeichnet durch einen stark ausgeprägten Konservatismus, der sich am gedruckten Werk festklammert. Der Markt in Korea ist allein aufgrund der Größe des wissenschaftlichen Bereichs im Prinzip überschaubar, aber in den digitalen Entwicklungen sehr aktiv. China stellt hier eine Sonderrolle dar; hier wurde bereits in den 1990er-Jahren des letzten Jahrhunderts von der Regierung eine Roadmap entworfen, die klar die Richtung Digitalisierung vorgab. Insofern ist es verständlich, dass mehrere, heute sehr große und extrem erfolgreiche (meist Staats-)Firmen den Distributionsmarkt für chinesische elektronische Publikationen dominieren. Diese Firmen sind aber keine Verlage, die zu nahezu 100 Prozent Staatsverlage sind und unter Kontrolle der Regierung stehen, sondern Dienstleister, die mit der elektronischen Veröffentlichung der Verlagspublikationen sehr viel Geld verdienen, sowohl auf dem chinesischen Markt als auch im Ausland. Die Verlage beginnen gerade erst, sich mit dem Thema zukunftsorientierte Digitalisierungsstrategien, neue Geschäftsmodelle oder Vertriebswege zu beschäftigen. Der schon genannte wichtige Verlag Zhonghua shuju z.B. kündigt seine ersten elektronischen Bücher erst für 2015/2016 an. Nichtsdestotrotz: Der chinesische Markt ist beeindruckend groß und umfassend, qualitativ nicht immer herausragend, aber – und das ist immer ein gutes Zeichen, finde ich – immer in Bewegung. Das macht unsere Arbeit hier schwerer und aufwendiger, aber es kommen so eben auch Dinge und Nutzungsverträge zustande, die vor 15 Jahren undenkbar schienen.
H-Soz-Kult: Die Geisteswissenschaften unterliegen einer digitalen Transformation, die sich unter anderem in medialen Veränderungsprozessen niederschlägt und zu neuen Formen der Fachinformation geführt hat. Erwarten Sie für sich in den nächsten Jahren eine Hinwendung zu digitalen Publikationsformaten im Open Access?
Nicola Spakowski: Ganz grundsätzlich bietet die Digitalisierung der geisteswissenschaftlichen Forschung viele Chancen, sei es in Form des einfacheren Zugangs zu Quellen, sei es in den Methoden und Arbeitsbereichen der Digital Humanities. Dass am Ende die Plausibilität der Analyse zählt, versteht sich von selbst. Was die digitale Publikation im Open Access anbelangt, so halte ich die Problematisierung der hohen Kosten von Zeitschriftenliteratur für mehr als berechtigt. Ich bezweifle aber, dass Open Access der einzig mögliche Ausweg aus der Krise ist, und halte einen Übergang zu dieser Publikationsform nur im Rahmen einer grundsätzlichen wissenschaftspolitischen und -organisatorischen Wende für praktikabel. Als Chinawissenschaftlerin mit einem speziellen Forschungsprofil bin ich zwangsläufig international ausgerichtet – anders hätte ich keine Leser. Meine Arbeit wird international über Publikationen in englischsprachigen Fachzeitschriften wahrgenommen, die für Qualität stehen und als solche Aufmerksamkeit genießen. Außerdem ist das Publizieren in internationalen Zeitschriften mit anonymem Begutachtungsverfahren ein wichtiger Faktor bei Evaluationen der verschiedensten Art. Ich sehe momentan noch nicht, wie mit Open Access alle Vorteile des alten Systems umfassend gewährleistet wären.
H-Soz-Kult: An Sie beide die Frage möchten wir gerne die Frage richten: Wie und wo sind bisher WissenschaftlerInnen der verschiedenen Bereiche der Asienwissenschaften in die Entwicklung von Online-Diensten bzw. in den FID involviert? Gibt es eigenständige Initiativen aus dem Fach heraus oder erfolgt die Entwicklung primär in Kooperation mit Archiven und Bibliotheken?
Nicola Spakowski: Ich kann hier nur für die Sinologie sprechen, für welche die Tatsache, dass das Fach sich nicht in einem einheitlichen Fachverband, sondern in mehr oder weniger stark institutionalisierten Netzwerken organisiert, die Kommunikation und Kooperation zwischen FID und Fachcommunity sicherlich erschwert. Eine eigenständige und vor allem einheitliche Initiative aus dem Fach heraus gibt es deshalb nicht. CrossAsia hat den Austausch mit VertreterInnen des Faches über Veranstaltungen in Berlin und die Präsenz bei großen Konferenzen gesucht. Ansonsten erfolgt die Kommunikation meines Wissens individuell, mit einzelnen FachvertreterInnen oder BibliothekarInnen. Insgesamt ist mein Eindruck, dass sich CrossAsia von beiden Richtungen her entwickelt, dem Angebot, das seitens des FID entwickelt wird, und den Nachfragen seitens der FachvertreterInnen. Aber hier kann Herr Kaun mit Sicherheit besser Auskunft geben.
Matthias Kaun: Kommunikation und Austausch von Information ist immer wichtig und ebenso schwierig zu realisieren, wenn man mal die bilateralen Gespräche außer Acht lässt. Selbst Kommunikation mit und über Fachverbände ist keine Garantie für einen Austausch. Vor allem habe ich im Laufe der Jahre gelernt, dass Öffentlichkeitsarbeit, die sich an den Services orientiert, extrem wichtig ist. Hervorragende Angebote können toll und wichtig sein, aber wenn sie keiner kennt, erzielen sie nicht ihre Wirkung. Wir kommen von der inhaltsbezogenen Angebotsseite und versuchen, diese Angebote dann aktiv zu vermitteln, sei es im Rahmen von Kursen an den Instituten, sei es heute verstärkt über Videokonferenzen oder eben auch Telefonate oder Email. Wir garantieren eine Ansprechbarkeit bei Wünschen, Anregungen – und vor allem auch bei praktischen Problemen mit oder Orientierung in den Angeboten. Wir versuchen gleichzeitig auch über verschiedene elektronische Medien, auf die Angebote aufmerksam zu machen. Und das ist weniger einfach, als es sich anhört, weil es eben schwierig ist, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Wir versuchen aber vor allem zu vermeiden, unsere Nutzerinnen und Nutzer in unsere Probleme und Aufgaben einzubeziehen, sondern möchten mit einem herausragenden Angebot überzeugen. Rückkoppelungen und Anregungen seitens der Nutzerinnen und Nutzer sind für uns sehr wichtig und mehr als willkommen; gleiches gilt für Kritik und Lob. Wir werden jetzt im FID einen Fachbeirat etablieren, der unsere Arbeit enger begleiten wird. Viele der Fachbeiratsmitglieder sind dann „Gesandte“ der Fachverbände. Wir werden sehen, ob sich auf diesem Wege die Kommunikation und der Austausch mit den verschiedenen Ausrichtungen von Forschung und Lehre in den deutschen Asienwissenschaften sicherer gestalten werden.
H-Soz-Kult: In den Asienwissenschaften werden wie in anderen Regionalwissenschaften auch verschiedene disziplinäre Zugänge miteinander verbunden. Schlägt sich das in der Struktur der FID-Angebote (Datenbankauswahl etc.) nieder? Sind bestimmte regionale, disziplinäre und thematische Felder stärker präsent als andere? Welche fachspezifischen Charakteristika sind besonders passfähig zu den FID-Angebote, welche sind darin kaum zu bedienen?
Nicola Spakowski: In der Tat zeichnen sich die Regionalwissenschaften durch besondere Heterogenität aus: Ein sinologisches Institut kann eine Historikerin, eine Literaturwissenschaftlerin und eine Ökonomin als Fachvertreterinnen umfassen. Und es gibt den grundsätzlichen Unterschied zwischen den philologischen und den disziplinär definierten Ansätzen (Geschichts-, Politik-, Literaturwissenschaft usw.). Mein Eindruck ist, dass das Angebot von CrossAsia im Bereich China einigermaßen ausgewogen ist, wobei die Geisteswissenschaften sehr gut bedient werden, die quantitativ arbeitenden Sozialwissenschaften eher weniger. Auch KollegInnen, die mit audio-visuellen Quellen arbeiten, kommen über CrossAsia bisher nicht besonders weit. Typisch für die China-Forschung und insbesondere die chinabezogene Geschichtswissenschaft ist vielleicht, dass es außerordentlich viele unbearbeitete Themen gibt, denen sich SinologInnen gerne zuwenden. Die bloße Erschließung und Erstauswertung neuer Quellen – von denen viele ja noch gar nicht lange zur Verfügung stehen – spielt eine wichtige Rolle in der Sinologie, und hier ist CrossAsia als Datenbanksammlung natürlich sehr passend. Herr Kaun hat vielleicht noch bessere Möglichkeiten, diese Frage im Vergleich zu anderen Disziplinen zu beantworten. Überdies würde mich interessieren, wo er selbst Erweiterungsbedarf und -möglichkeiten in der Bereitstellung von Ressourcen für die Asienwissenschaften sieht.
Matthias Kaun: Unser Anspruch ist, sowohl die Heterogenität der Region, der Märkte und eben auch die Ausdifferenzierung und Heterogenität der Wissenschaft, die sich mit Asien beschäftigt, zu berücksichtigen. Das funktioniert im Bereich des klassischen Fächerkanons ganz gut. In den letzten Jahren konnten wir auch die verstärkten Nachfragen aus dem Bereich Rechtswissenschaft oder Wirtschaft abdecken. Nicht richtig hinterher kommen wir – vor allem aus Gründen des zur Verfügung stehenden Etats – bei großen Wirtschaftsdatenbanken, für die i.d.R. auch keine dauerhaften Nutzungsrechte eingeräumt werden, die aber gleichzeitig horrend kostenintensiv sind. Wenn es einen formulierten Bedarf gibt, z.B. an wirtschaftlichen oder an audiovisuellen Materialien, dann sind wir dem gegenüber aber sehr aufgeschlossen. Wir könnten hier unsere Angebote wirklich ausweiten. Ich möchte aber nicht vermeiden zu betonen, dass wir nur eine Infrastruktureinrichtung sind, die vor allem im Zusammenspiel mit den Institutsbibliotheken ihre Wirkung entfaltet. CrossAsia ist geplant und gedacht als komplementärer Baustein einer Infrastruktur für asienbezogene Wissenschaft.
H-Soz-Kult: Abschließend möchten wir gerne noch erfahren, welche Veränderungen Sie aus Ihrer jeweiligen Perspektive nach der Bereitstellung der neuen FID-Angebote erwarten und welche Wünsche und Vorschläge Sie an eine Weiterentwicklung des FID CrossAsia – Asien knüpfen.
Nicola Spakowski: Ich sehe keinen gravierenden Einschnitt im Übergang zum FID. CrossAsia existiert, wie gesagt, schon lange und hat sich stetig weiterentwickelt, und zwar entlang der Interessen der NutzerInnen. Mein Eindruck ist, dass mit dem Übergang zum FID die technischen Dienstleistungen optimiert werden sollen, und dies ist ja durchaus begrüßenswert. Es bestehen angesichts begrenzter Ressourcen natürlich gewisse Gefahren – Weiterentwicklung der Technik auf Kosten des Ausbaus von Beständen, Berücksichtigung sehr individueller Nutzerinteressen auf Kosten allgemein relevanter Angebote –, aber es gibt in der Praxis von CrossAsia, wie ich es beobachte, bisher keinen Anlass zur Sorge. Dennoch muss weiter diskutiert werden, wie der FID CrossAsia dem speziellen Fall der Sinologie als einer heterogenen Disziplin ohne Fachverband am besten gerecht werden kann. Ich frage mich außerdem, ob es Möglichkeiten der internationalen Kooperation gibt, mit denen das notwendigerweise doch begrenzte Angebot von CrossAsia erweitert werden könnte. Außerdem stellt sich die Frage, ob CrossAsia Unterstützung dabei leisten könnte, die durchaus wichtigen Bestände einzelner deutscher sinologischer Institutsbibliotheken besser zugänglich zu machen. Einige Institute verfügen über Schenkungen, Spezialsammlungen oder sind gerade mit digitalen Archivierungsprojekten befasst. Könnte sich CrossAsia hier nicht sinnvoll einbringen?
Matthias Kaun: Da schneiden Sie Themen an, die wir vor einigen Jahren versucht haben, konkret anzugehen. Dies mündete dann in einen DFG-Antrag, der nicht gefördert werden konnte. Wie ich aber schon sagte: CrossAsia ist komplementär zu den Instituten, die uns maßgeblich nutzen. Insofern wäre es – wie Sie sagen – wichtig, die auch in den Institutsbibliotheken vorhandenen Materialien zumindest erst einmal sichtbar zu machen. Das klingt einfach, ist aber schwierig, da dieses Sichtbarmachen eben Kosten verursacht; im Prinzip dauerhafte Kosten auf Seiten der Universitäten. Aber genau hier wollten wir damals ansetzen und den Bereich der Retrokonversion oder den Nachweis von originalschriftlicher Literatur in Deutschland, so wie z.B. in den USA, zu etablieren. Wir sind leider noch sehr weit davon entfernt. Nichtsdestotrotz unterstützen wir, wo wir können, und nehmen z.B. auch Nachlässe oder Sammlungsteile aus anderen Bibliotheken auf oder helfen bei Bedarf mit Rat bei Retrokonversionsprojekten.
Was den Bereich der Forschungsdaten angeht, stehen wir sehr gerne sowohl als Ansprechpartner als auch als „Archivierungsinfrastruktur“ zur Verfügung. Auch wir haben da, wie viele andere, bislang noch wenig praktische Erfahrung, da es sich um einen relativ neuen Bereich handelt. Wir sehen aber die Aufgabe und werden hier bei Bedarf als Infrastruktur zur Verfügung stehen und eine Lösung finden.
Ich hatte bereits vorhin auf die Unausgewogenheit in Europa hingewiesen: CrossAsia ist für die deutsche Wissenschaft und eben nicht für die belgische oder die schweizerische. Wir sehen diese Unausgewogenheit sehr kritisch und versuchen auch hier, uns einzubringen. Wir bieten z.B. an, sich über europäische Konsortien, die wir verhandeln und organisieren, an Lizenzierungen zu beteiligen. Wir verfügen über gute Kontakte und die Erfahrung im Lizenzgeschäft und stellen das gerne zur Verfügung. Leider ist die Lage in den europäischen Asienbibliotheken bzw. -sammlungen finanziell wenig erfolgsversprechend. Gleichzeitig behindern nationale Bedingungen den Aufbau und Betrieb oder auch nur die Kostenübernahme für disziplinspezifische Plattformen wie CrossAsia. Hier hat die DFG im Bereich der Sondersammelgebiete und jetzt Fachinformationsdienste wirklich ein einmaliges und gleichermaßen erfolgreiches und wichtiges Programm etabliert und gefördert. Das gibt es eben nicht in Belgien, der Schweiz oder Schweden.
Die Staatsbibliothek als Träger von CrossAsia ist natürlich international vernetzt. Wir haben enge Beziehungen zu Bibliotheken und Verlagen in Asien, wir kennen die Vertriebswege und man kennt uns. Aus Erfahrung wissen wir, dass Kooperationen – gerade internationale – extrem wichtig und gleichzeitig arbeitsaufwendig und schwierig sind. Wir haben uns intern vorgenommen, uns hier noch stärker vor allem in Ostasien zu vernetzen. Das wird mit Sicherheit ein längerer Prozess sein, in den wir auch gerne den neuen Fachbeirat von CrossAsia miteinbeziehen möchten. In Zeiten der elektronischen Zugänglichkeit von Materialien und nationalen Digitalisierungsprojekten können solche internationalen Kooperationen ihren wahren Charme voll entfalten.
Was damit aber eben nicht beantwortet werden kann, ist die Frage, wie wir die Nutzung internationalisieren können. Wir haben hier Ideen und entwickeln Strategien, wie z.B. das Angebot internationaler Konsortien. Der Unterschied zu anderen FID, die für andere wissenschaftlichen Bereiche zuständig sind, ist der, dass in unserem Fall selbst der Zugang zu eigentlich selbstverständlichen Inhalten in anderen Ländern nicht flächendeckend gesichert ist. Das bringt große Probleme mit sich, nicht nur im Bereich internationaler Kooperation. Gerade in diesem Feld sind dann Angebote wie Konsortien ein kleiner Schritt; wenn es aber den Einrichtungen an den Mitteln mangelt, müssen auch, parallel zu den existierenden, neue Versuche unternommen werden, um diesen Missstand der Unausgewogenheit zu minimieren. Da möchten wir CrossAsia auch zukünftig stärker positionieren, denn wir nehmen gerade bei all den internationalen Anfragen auch die Potentiale wahr, die hinter diesem durch die öffentliche Hand geförderten und betriebenen Angebot CrossAsia stehen. Klar ist aber auch: Auch CrossAsia bedarf eines gesicherten Betriebs- und Finanzierungsmodells.
Dieser Beitrag erschien zuerst im H-Soz-Kult Forum.
Zitation: Forum: Interview zum FID CrossAsia-Asien mit Nicola Spakowski (Univ. Freiburg) und Matthias Kaun (Staatsbibliothek zu Berlin), in: H-Soz-Kult, 19.09.2016, <www.hsozkult.de/debate/id/diskussionen-3875>.
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Vorstellung des FID ‘CrossAsia’ – Asien bei H-Soz-Kult
/in Fachinformationsdienst/by CrossAsiavon Maria Effinger, Universitätsbibliothek Heidelberg, und Matthias Kaun, Staatsbibliothek zu Berlin
Seit 2016 werden das ehemalige Sondersammelgebiet Südasien, betreut von der Universitätsbibliothek Heidelberg und dem Südasien-Institut der Universität Heidelberg (SAI) und das Sondersammelgebiet Ost- und Südostasien, bis Ende 2015 betreut von der Staatsbibliothek zu Berlin, als neuer Fachinformationsdienst CrossAsia – FID Asien von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Die Sammlungen beider Einrichtungen sind auch zukünftig maßgeblicher Kernbestandteil der sich weiter aus- und darauf aufbauenden Entwicklungen. Der Bestandsaufbau sowohl gedruckter als auch elektronischer Medien im FID ist abgestimmt auf interdisziplinäre und transregionale Fragestellungen der Asienwissenschaften.
Für den Bereich des SSG Ost- und Südostasien wurden bereits seit 2002, später auch mit Unterstützung der DFG elektronische Ressourcen in das Serviceprofil aufgenommen. Parallel zu dem seit über 35 Jahren an der Staatsbibliothek zu Berlin bestehenden “Blauen Leihverkehr” (Spezialleihverkehr für originalschriftliche Materialien) wurde auch die Versorgung mit elektronischen Ressourcen für alle Nutzerinnen und Nutzer des “Blauen Leihverkehrs” sichergestellt. Institute oder Lehrstühle registrieren sich für den “Blauen Leihverkehr” als Institution; alle an diese Einrichtungen angebundenen Personen (Professorinnen und Professoren, Mittelbau, Studierende oder durch andere Form mit dem Institut zusammenwirkende Personen) können sich dann für den Zugang zu den elektronischen, lizenzpflichtigen Ressourcen registrieren. In den letzten Jahren ist die Nutzung erfreulich stabil. Jährlich sind ca. 2.100 Nutzerinnen und Nutzer aus den verschiedensten Einrichtungen (deutschlandweit ca. 100) zur Nutzung der Angebote freigeschaltet.
CrossAsia verstand sich bis dahin als die virtuelle Präsenz des Sondersammelgebiets; alle Angebote und Services im Kontext des SSG wurden hier gebündelt angeboten inkl. “Blauer Leihverkehr”, Zugang und Information zu den digitalen Sammlungen und den Katalogen. Die CrossAsia-Suche bietet zudem Zugang zu allen über das SSG verfügbaren und angebotenen Ressourcen. Diese sind entweder über Fernleihe, “Blauen Leihverkehr” oder aber als Direktzugriff auf das elektronische Dokument verfügbar. Die Suche basiert auf einem Metasuchsystem; es wird versucht so viele (bibliografische) Daten wie möglich in die CrossAsia Suche zu integrieren. Für den Bereich der Information und Kommunikation wird der CrossAsia Newsletter, das Forum sowie die Virtuelle Forschungsumgebung CrossAsia Campus angeboten.
Heute bietet CrossAsia bereits Zugriff auf mehr als 120 lizenzpflichtige Ressourcen aus Ostasien, den USA und Europa. Die Möglichkeit des überregionalen Zugriffs auf fachlich umfassende elektronische Ressourcen garantiert die Attraktivität des Angebotes; CrossAsia hat sich nicht zuletzt aufgrund der zentralen Verantwortung und Verortung der Aufgaben im Bereich der Ost- und Südostasienwissenschaften zu einem zentralen Baustein im Bereich der Forschung und forschungsnahen Lehre entwickelt. Bereits seit 2010 unterstützen CrossAsia nutzende Institute den Ausbau der Aktivitäten und Angebote im Rahmen der Komplementären Finanzierung CrossAsia auch finanziell. Alle mit diesen eingeworbenen Mitteln erbrachten Leistungen kommen dann allen Nutzerinnen und Nutzern von CrossAsia zugute.
Insofern hat CrossAsia bereits ab 2002 die Anforderungen und Bedürfnisse der Asienwissenschaften aufgenommen und neue, aus den Angeboten abgeleitete Services weiterentwickelt. Möglich wurde dies damals aus einer guten Anbindung der Nutzerinnen und Nutzer an die verschiedenen Angebote des SSG. Der “Blaue Leihverkehr”, der die Wissenschaft mit schwer zugänglichen Materialien versorgt, aber auch gleichzeitig für Anschaffungsvorschläge genutzt werden kann bzw. auch offene Bestellungen zulässt, führt zu einer Bindung, die für die Rückkoppelung der Arbeit im SSG und nun im FID genutzt wird. Über verschiedene Kanäle ist CrossAsia ansprechbar; und CrossAsia selbst versucht so gut es geht, auf Veranstaltungen der verschiedenen relevanten Fachverbände aktiv präsent zu sein. Diese Form des Austauschs ist wichtig; sie darf aber nicht überschätzt werden, denn das Kommunikationsbedürfnis seitens der Asienwissenschaften mit der Infrastruktur CrossAsia ist überschaubar. Die Gründe mögen in der Qualität der Leistungen und auch in der Kontinuität der Aktivitäten dank der Förderung als FID zu finden sein.
Für den Bereich des SSG Südasien bildeten gedruckte Bücher und Zeitschriften den Kernbestandteil der Sammlungsaktivitäten, was zum einen in dem geringen Angebot an elektronischen Medien aus den Ländern Südasiens begründet war, zum anderen aber auch in der Schwierigkeit geeigneter Lizenzierungsmodelle, um elektronische Ressourcen überregional bereitzustellen. Auch im FID ist davon auszugehen, dass gerade bei kleineren Verlagen der Erwerb und die überregionale Bereitstellung elektronischer Versionen südasienwissenschaftlicher Literatur im Sinne von Community-Lizenzen kaum umsetzbar sein werden. Die überregionale Bereitstellung der erworbenen Medien wurden im SSG durch die Fernleihe und den Dokumentlieferdienst Subito sichergestellt und wird nun im FID durch den an der Staatsbibliothek zu Berlin etablierten “Blauen Leihverkehr” erweitert. Durch die enge Anbindung an die südasienwissenschaftliche Forschung in Heidelberg, durch die Auswertung von Anschaffungsvorschlägen und Fernleihanfragen wurden bereits im SSG die Anforderungen aus der Wissenschaft bei der Erwerbung forschungsrelevanter Literatur berücksichtigt.
Mit dem Portal Savifa – Virtuelle Fachbibliothek Südasien wurden Serviceleistungen für die Wissenschaft aufgebaut, die einen integrierten Zugang zu Print- und überwiegend frei verfügbaren elektronischen Medien gewährleisteten. Ein Fokus lag dabei auf der Verbreitung des Open Access-Gedankens innerhalb der deutschen Südasienwissenschaften und die Publikationsplattform SavifaDok – heute als CrossAsia Repository weitergeführt – diente der Veröffentlichung, Erschließung und Archivierung südasienwissenschaftlicher Forschungsliteratur. Im Jahr 2015 wurde Savifa dann in CrossAsia, der technischen Plattform des SSG Ost- und Südostasien integriert.
CrossAsia stellt heute einen zentralen infrastrukturellen Baustein in der deutschen Forschungslandschaft dar. Insofern ist es verständlich, dass die unterschiedlichen Entwicklungen und damaligen Schwerpunktsetzungen beider SSG-Bibliotheken heute im FID weitergeführt und ausgebaut werden. Die bis 2015 nur im Kontext von Savifa angebotene Möglichkeit des elektronischen Publizierens wurde nun auch auf die Regionen Ost- und Südostasien ausgeweitet. Darüber hinaus werden neue Angebote geschaffen: Digitalisierung on Demand bietet – ähnlich dem Konzept des “Blauen Leihverkehrs” und dem Zugang zu elektronischen Ressourcen – die Möglichkeit der für die Nutzerinnen und Nutzer kostenfreien Bestellung von Digitalisaten aus den Berliner und Heidelberger Sammlungen und darüber hinaus. Um Nutzerinnen und Nutzer künftig automatisch über neu in CrossAsia eingebrachte Angebote informieren zu können, ist die Einrichtung eines individualisierbaren Profildienstes vorgesehen. Auch die Erweiterung des bisher über Savifa angebotenen E-Toc-Alert-Dienst für rund 85 südasienwissenschaftliche Kernzeitschriften auf elektronische Zeitschrifteninhalte aus den Ostasienwissenschaften wird im FID realisiert.
CrossAsia wird zukünftig einen eigenen PDA-Index im Kontext der CrossAsia Suche anbieten, die bibliografische Information zu sowohl gedruckten als auch elektronischen Medien bietet. Nutzerinnen und Nutzer können sich so einerseits über bislang im FID ggf. nicht verfügbare Materialien informieren und gleichzeitig diese zur Bestellung, Akzession im FID vorschlagen. Insofern wird die erprobte Erwerbungspraxis unter aktiver Beteiligung der Nutzerinnen und Nutzer weitergeführt. Der zukünftige Bestandsaufbau (gedruckt und elektronisch) ist abgestimmt auf inter- und transdisziplinäre sowie transregionale Fragestellungen in Bezug auf Asien. Die Schärfung des inhaltlichen Profils der ehemaligen SSGs (bzw. des zukünftigen FID) schaffen Ressourcen für eine selektive Ausweitung z.B. auf den Bereich der Wirtschaft für Ost- und Südostasien sowie moderne Wissenschaftsentwicklungen. Prinzipiell wird ein elektronisches Dokument gegenüber einem gedruckten bevorzugt erworben und im Online-Zugriff angeboten. CrossAsia ist seit Jahren im Bereich Lizenzierung aktiv und hat maßgeblich als Modell den neuen FID-Lizenztyp beeinflusst. Es hat sich klar erwiesen, dass die Integration von elektronischen Medien bzw. die bewusste Gleichbehandlung analoger und digitaler Materialien im Kontext einer überregionalen Sammlung und vor allem nationaler Services ein, wenn nicht der strategische Vorteil ist, der Nutzerinnen und Nutzer an ein Angebot bindet. Mit den weiteren Planungen z.B. im Bereich des elektronischen Publizierens und auch im Kontext der elektronischen Ressourcen und Forschungsdaten versucht CrossAsia bewusst einen Schritt weiter zu gehen und nicht bei der Verfügbarmachung von digitalen Objekten stehen zu bleiben. Auf der Grundlage einer eigenen Administrationsebene für elektronische Objekte sollen in Zusammenarbeit mit der Wissenschaft in der ersten Projektphase DTM-Verfahren und Daten-Editierungen und –kommentierungen erprobt werden.
Dieser Beitrag erschien zuerst im H-Soz-Kult Forum.
Zitation: Forum: M.Kaun / M.Effinger: FID ‘CrossAsia’ – Asien, in: H-Soz-Kult, 19.09.2016, <www.hsozkult.de/debate/id/diskussionen-3874>.
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