Reise ins China des frühen 20. Jahrhunderts – mit einer Online-Fotoausstellung zum Nachlass Fritz und Hedwig Weiss

Im Frühjahr 2016 hat die Staatsbibliothek zu Berlin den Nachlass Weiss übernommen, des deutschen Konsuls Fritz Weiss und seiner Frau Hedwig Weiss-Sonnenburg. Die Sammlung, die zahlreiche Dokumente und Fotografien insbesondere aus dem mehrjährigen Aufenthalt des Ehepaares Weiss im Südwesten Chinas zu Beginn des 20. Jahrhunderts enthält, wurde von Tamara Wyss, der Enkelin von Fritz und Hedwig Weiss, an die Staatsbibliothek übergeben.

Tamara Wyss auf den Spuren ihrer Großeltern, Chongqing, 2002. Foto: privat, Fotografin: Lie Mei

Tamara Wyss auf den Spuren ihrer Großeltern, Chongqing, 2002. Foto: privat, Fotografin: Lie Mei

Tamara Wyss hat sich viele Jahre intensiv mit der Geschichte ihrer Großeltern befasst. Sie recherchierte in den Archiven nach der diplomatischen Korrespondenz aus dem Konsulat Chengdu, reiste auf den Spuren ihrer Großeltern und versuchte dabei den Ursprung der Fotografien und Aufzeichnungen zu ermitteln. Sie nahm es sich zum Ziel, die Geschichte ihrer Großeltern der Öffentlichkeit bekannt zu machen, beispielsweise mit Fotoausstellungen in China an den Orten, wo ihre Großeltern gelebt haben, einem Bildband mit zahlreichen Fotos aus dem Nachlass (Gestern im Land von Ba und Shu, 2009), sowie Buchpräsentationen.

Tamara Wyss ist im März 2016 verstorben. Wir haben gerne ihren Wunsch aufgegriffen, eine Auswahl der Fotografien aus dem Nachlass gemeinsam mit Erinnerungen aus den Tagebüchern und Aufzeichnungen von Fritz und Hedwig Weiss in einer Online-Ausstellung zu präsentieren. Mit dieser Ausstellung möchten wir an ihr Schaffen erinnern und ihr Bestreben fortsetzen, die Geschichte ihrer Großeltern zu erzählen.

Max Friedrich Weiss (1877-1955) war Orientalist und Diplomat. Bis zum Eintritt Chinas in den Ersten Weltkrieg war er deutscher Konsul in Chengdu, Sichuan, und Kunming, Yunnan. 1899, im Alter von 22 Jahren, reiste Fritz Weiss nach Abschluss seines Studiums in den Fächern Jura und Chinesisch zum ersten Mal nach China. Zunächst war er als Dolmetscher tätig, trat aber schnell in den konsularischen Dienst über. 1904 wurde er an das Konsulat in Chengdu versetzt, 1907 übernahm er bereits die kommissarische Leitung und ab 1912, nach Bestehen der Konsularprüfung, die Leitung des Konsulats. Bei einem Heimaturlaub im Jahr 1911 wurde er mit Hedwig Margarete Sonnenburg (1889-1975) bekanntgemacht, die ihn nach ihrer Heirat noch im selben Jahr nach China und auf den neuen Posten begleitete. Hedwig Weiss war als Reiseschriftstellerin und Kinderbuchautorin zeitlebens durch ihre Erlebnisse in China geprägt und hat diese in ihren Texten verarbeitete. 1914 wurde Fritz Weiss nach Yünnan-fu, dem heutigen Kunming, versetzt, um dort ein neues Konsulat zu errichten. Die zwei Töchter des Ehepaares Weiss, Jutta und Alice, wurden in Yunnan geboren.

Am Wannsee, Fritz und Hedwig während der Verlobungszeit, Frühjahr 1911

Am Wannsee, Fritz und Hedwig während der Verlobungszeit, Frühjahr 1911

Hedwig Sonnenburg war eine sehr abenteuerlustige und neugierige, aber auch romantische junge Frau. In ihren Memoiren schreibt sie: „[…] die Sehnsucht in die Ferne war mächtig in mir. Jede Weite, die ich vor mir sah, liess mich von noch grösseren Weiten träumen, jeder Wald liess den ewigen Wald vor mir entstehen, jeder Ritt, wenn die Luft um meine Ohren brauste, liess mich von wilden Ritten über unbekannte, endlose Steppen träumen.“ (S.3) Und Fritz Weiss erinnert sich in seinen Memoiren: „Mag sein, dass die Aussicht auf eine wilde Reise über den Pamir, ein Projekt, mit dem ich mich damals trug, bis zu einem gewissen Grad bei den Entschließungen von Frl. Sonnenburg für mich gesprochen hat.“ (S.308)

Zwischen Kennenlernen, Verlobung, Heirat und Abreise nach Chengdu, wo Fritz seinen Posten als Konsul antreten sollte, widmeten sie sich aufwendigen Reisevorbereitungen für ihr Leben und die geplanten Expeditionen in China. Sie hatten Kameras zur Dokumentation ihrer Erlebnisse im Reisegepäck und organisierten sogar einen Edison-Phonograph zur Aufnahme von Gesängen auf Wachswalzen, die sie Prof. Hornbostel vom psychologischen Institut in Berlin versprochen hatten (Hedwig Weiss-Sonnenburg, Memoiren, S.9); mit ihm zeichneten sie die Gesänge der Yangzi-Treidler und eines Stammes aus dem Volk der Yi auf. Die Wachswalzen sind heute im Bestand des Ethnologischen Museums in Berlin.

Begleiten Sie Fritz und Hedwig Weiss auf ihren Spuren durch das Südwestchina des frühen 20. Jahrhunderts, einer politischen und gesellschaftlichen Umbruchsphase zwischen den letzten Jahren des Qing-Reiches und dem Eintritt Chinas in den Ersten Weltkrieg im Jahr 1917, in dessen Folge die diplomatischen Beziehungen mit dem deutschen Kaiserreich abgebrochen wurden und die Familie Weiss aus China ausreisen musste. Besuchen Sie mit ihnen die Städte Chongqing, Chengdu und Kunming. Nehmen Sie teil an ihren abenteuerlichen Reisen und Expeditionen per Boot durch die Drei Schluchten des Yangzi ins chinesische Hinterland, in die entlegenen Bergregionen und Flusstäler Sichuans, zu dem unabhängigen Volk der Yi und bei der Ausreise aus China 1917, die mit einem Marsch quer über Land von Kunming in nördlicher Richtung zum Yangzi startete.

Die Fotoausstellung Reisen im Südwesten Chinas, 1899-1917 zum Nachlass Weiss finden Sie unter:
themen.crossasia.org/weiss oder crossasia.org > Ressourcen > Themenportale

Yalong-Schlucht, 1910

Yalong-Schlucht, 1910

Yangzi-Treidler bei der Arbeit, 1911

Yangzi-Treidler bei der Arbeit, 1911

Gasse in Chongqing mit den Sänften von Fritz und Hedwig, 1912-1914

Gasse in Chongqing mit den Sänften von Fritz und Hedwig, 1912-1914

Familiengruppe vor einem Haus der Yi mit typischer Kleidung und Kopfschmuck, Herbst 1913

Familiengruppe vor einem Haus der Yi mit typischer Kleidung und Kopfschmuck, Herbst 1913

 

Leihgaben aus der Ostasienabteilung für eine Ausstellung im Kunstgewerbemuseum

Vom 08.07.2016 bis zum 09.10.2016 wird im Kunstgewerbemuseum  (Schloss Köpenick, Berlin) die Ausstellung Lob der Guten Herrschaft. Die Lackkunst des Gérard Dagly im Berliner Schloss zu sehen sein.

Gérard Dagly (ca. 1660–1715), ein Lackkünstler der Barockzeit, wurde im Jahr 1686 vom Großen Kurfürsten nach Berlin gerufen und im Jahr darauf zum Kammerkünstler ernannt. Er gründete alsbald die Berliner Hoflackwerkstatt, die erste ihrer Art in Europa. Daglys zentrales Werk ist der im Berliner Kunstgewerbemuseum erhaltene Münzschrank aus dem Antikenkabinett der königlichen Kunstkammer, ein früher Beleg seiner ernsthaften künstlerischen Auseinandersetzung mit ostasiatischen Vorbildern.

Aus dem Bestand der Ostasienabteilung werden in der Ausstellung Stücke zu sehen sein, die das intellektuelle Umfeld Daglys am Hofe des Großen Kurfürsten widerspiegeln, das auch geprägt war von dessen starkem Interesse für Ostasien und in dessen Büchersammlung sich wohl seit 1674 bereits Sinica befunden haben. Gezeigt werden Vertreter dieser frühen Sinica wie das Ming-zeitliche Zeichenwörterbuch Zihui 字彙 von Mei Yingzuo 梅膺祚, von welchem die Bibliothek ursprünglich drei Exemplare besaß. Deren eines hat Christian Mentzel (1622-1701),  kurfürstlicher Rat und Leibarzt Friedrich Wilhelms und mit der Sinica-Sammlung der Kurfürstlichen Bibliothek betraut,  für sein eigenes neun Foliobände umfassendes Lexicon characteristicum Chinensium von 1698 zeilenweise zerschnitten, aufgeklebt und mit Lesungen und Übersetzungen aus Francisco Diaz‘ Vocabulario de Letra China versehen, ein weiteres (unvollständiges) Exemplar wurde wohl um 1910 ausgesondert. Desweiteren das Christian Mentzel  zugeschriebene Porträt des Großen Kurfürsten von 1685, Mentzels um 1698 entstandener Chinesischer Schlüssel (Clavis Sinica), ein nach Radikalen plus Strichzahl geordneten Verzeichnis chinesischer Schriftzeichen unter Angabe der Aussprache und einer Übersetzung ins Lateinische, nach Mentzel ein Auszug aus Diaz‘ Vocabulario, nebst einem auf der chinesischen Grammatik von Martin Martini (1614-1664) basierenden Text, auf deren Manuskript Mentzel von Philippe Couplet (1623 – 1693) hingewiesen worden war und das er im Jahr 1689 von Andreas Cleyer (1634-1698) aus Batavia erhielt.

Ein Höhepunkt der Ausstellung wird zweifelsohne die Typographia Sinica sein, ein aus massivem Eichenholz gefertigtes Schränkchen, das in zehn schmalen Schubfächern insgesamt 3287 Drucktypen, ca. 2,5 cm3 große Würfel aus Buchenholz, auf deren einer Seite chinesische Schriftzeichen eingeschnitten und auf deren anderer Seite mit Tinte Zahlen aufgetragen sind, enthält. Andreas Müller (um 1630-1694), seit 1667 Probst an der Nikolaikirche in Berlin und Vorgänger Christian Mentzels in der Betreuung der chinesischen Bücher des Großen Kurfürsten, hat sie der Kurfürstlichen Bibliothek bei seiner Verabschiedung aus dem Amt im Jahr 1685 überlassen. Die Typographia Sinica stellt wohl den ersten Versuch dar, in Europa einen Grundstock chinesischer Schriftzeichen herzustellen und ist somit ein beachtenswerter materieller Zeuge der Bemühungen von Gelehrten des 17. Jh. um die chinesische Sprache und Kultur, der nun erstmals seit drei Jahrzehnten wieder in Gänze in einer Ausstellung präsentiert wird.

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Besuch aus Shanghai

Am 07. Juni weilte eine Delegation des „Chinese Ancient Books Preservation and Conservation Institute“ der Fudan-Universität, Shanghai, mit seinem Direktor und ehemaligen Präsidenten der Fudan, Herrn Prof. Dr. Yang Yuliang, zu einem Informationsbesuch in der Staatsbibliothek. Nachdem es aus Anlass der Tagung International Collector’s Conference on Collecting and Preserving Rara, 国际藏书家古籍收藏与保护研讨会 an selbigem Institut im Oktober letzten Jahres bereits Gelegenheit zum Austausch mit den Tagungsteilnehmern  und Mitarbeitern des Instituts gegeben hatte, war die Delegation besonders interessiert,  mehr über die Digitalisierungsprojekte der Ostasienabteilung zu erfahren und Stücke aus frühen Sinica-Sammlung der Ostasienabteilung und der durch die Orientabteilung betreuten Turfan-Sammlung  zu sehen. Präsentiert wurden Stücke aus den Sammlungen Hirth, Moellendorff und Müller, dem Libri sin. N.S. – Bestand sowie vier Turfan-Fragmente. Dabei lag ein besonderes Augenmerk seitens der Besucher bei bindungs-und drucktechnischen Besonderheiten bzw. Fragen des Schreibmaterials.

Im Anschluss begab sich die Delegation in die Restaurierungswerkstatt der Abteilung Bestandserhaltung und Restaurierung in das Haus Unter den Linden, wo sie von Frau Britta Schütrumpf (Buch-und Papierrestauratorin) durch die dortigen Räume geführt wurden und von den anwesenden Mitarbeiterinnen eine jeweilige Probe ihrer aktuellen Arbeit gezeigt bekam. Da das Institut der Fudan-Universität derzeit den Aufbau einer eigenen Restaurierungswerkstatt plant, kam es hier zu einem angeregten  Austausch zwischen den Spezialisten.

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Frau Britta Schütrumpf und Herr Prof. Yang Yuliang

 

 

 

Testzugang zu 弘文荘待賈古書目 – neue Recherchemöglichkeit in JapanKnowledge

Bis Ende Juli bieten wir den registrierten Nutzerinnen und Nutzern über die Datenbank JapanKnowledge ein neues Teilmodul zur Recherche von bibliographischen Informationen von vormodernen japanischen Handschriften und Publikationen testweise an. Es handelt sich dabei um die vom Verlag Yagi Shoten in eine elektronisch recherchierbare Form gebrachten Verkaufskataloge des Antiquariats 弘文荘. Neben bibliographischen Beschreibungen der einzelnen Werke werden auch Abbildungen und Verkaufspreise mit angegeben.

In der einfachen Suche (基本検索) wird diese Teil-Datenbank wie alle anderen auch mit durchsucht, in der erweiterten Suche (詳細検索) kann sie direkt angesteuert werden.

Wir würden uns über Ihre rege Nutzung und natürlich über Ihre Kommentare dazu unter x-asia(at)sbb.spk-berlin.de oder im Forum freuen.

Einladung: CrossAsia Einführungen im Juli

Im Juli wird es im Rahmen der Wissenswerkstatt drei Einführungstermine in das Portal CrossAsia an der Staatsbibliothek geben, zu denen wir Sie herzlich einladen.

In den Schulungen gibt es zunächst einen Überblick über die einzelnen Module, wie die CrossAsia Suche, den Online Guide East Asia (OGEA), die Digitalen Sammlungen und das Themenportal. Ebenso wird auf das Diskussionsforum und den CrossAsia Campus eingegangen.

Anschließend werden die Inhalte und die Recherchemöglichkeiten von bibliographischen und Volltextdatenbanken jeweils für Japan, Korea und China erklärt:

Schwerpunkt Japan: Di, 12. Juli 2016, 18.30-20.00 Uhr

  • CiNii Articles (Zeitschriftenartikel, teilweise Volltextzugriff)
  • JapanKnowledge (Online-Plattform für diverse Nachschlagewerke)
  • Kikuzou II bijuaru for libraries (Artikel der Zeitung Asahi Shinbun im Volltext)

Weitere Informationen und Anmeldung

Schwerpunkt Korea: Mi, 13. Juli 2016, 18.30-20.00 Uhr

  • die Suche über RISS International und die darunter liegenden Datenbanken
  • die Archive der Tageszeitungen Chosun Ilbo und Donga Ilbo

Weitere Informationen und Anmeldung

Schwerpunkt China: Do, 14. Juli 2016, 18.30-20.00 Uhr

  • China Academic Journals (Zeitschriftenartikel)
  • Chinamaxx (eBooks)
  • China Ancient Books / Zhongguo jiben gujiku (vormoderne Texte)
  • 1833-1949 Chinese Periodical Full-text Databases (Zeitungen)

Weitere Informationen und Anmeldung

Veranstaltungsort: Staatsbibliothek zu Berlin, Potsdamer Str. 33, Schulungsraum im Lesesaal
Treffpunkt: Eingangshalle (I-Punkt)

Die Suche nach Spuren und Hongpiao 紅票

Vor 300 Jahren, am 31. Oktober des Jahres 1716, ließ der Qing-Kaiser Kangxi von seinem kaiserlichen Druckhaus Wuyingdian circa 300 Exemplare einer Proklamation fertigen und an Ausländer im Lande verteilen – in lateinischer, chinesischer und mandschurischer Sprache geschrieben – markant umrahmt von Drachen mit fünf Klauen und in roter Farbe gedruckt.

Er machte darin klar, jedwede weitere Kommunikation bezüglich des Ritenstreits nicht zur Kenntnis zu nehmen, bis nicht wenigstens einer seiner selbsterwählten jesuitischen Gesandten aus Rom zurückgekehrt und ihm Bericht erstattet habe (für eine Übersetzung der Proklamation siehe den Beitrag auf der Seite des Ricci Institute). David Helliwell, Curator of Chinese Collections, Bodleian Library, wertet das Schreiben auch als Spurensuche nach Kangxis vier Gesandten, die er zehn bzw. acht Jahr zuvor offiziell für Verhandlungen nach Rom entsandt hatte. Jedoch alle vier, Fr. António de Barros, S.J. [龍安國], Fr. Antoine de Beauvollier, S.J. [薄賢士], Fr. Giuseppe Provana, S.J. [艾若瑟] und Fr. José Raimundo de Arxo, S.J. [陸若瑟] sind unterschiedlichen Schicksalsschlägen erlegen und waren schon lange nicht mehr am Leben, als Kangxi sein Hongpiao verbreiten ließ.

Heute nun sind es die Hongpiao selbst, denen sich die Spurensuche von Forschern und Bibliothekaren widmet. Helliwell hat vom Bodleischen Hongpiao ausgehend 2011 begonnen, alle nachgewiesenen Hongpiao in einem Blogeintrag zu versammeln; im gerade erschienen Bibliotheksmagazin der beiden Staatsbibliotheken München und Berlin hat Renate Stephan, Fachreferentin für Ostasien in der Bayerischen Staatsbibliothek, in ihrem Beitrag nun das Münchner Exemplar gewürdigt (S.32-36). Das Berliner Hongpiao wurde bereits 2013 im Rahmen eines DFG geförderten Digitalisierungsprojektes der alten Ostasiensammlung der Staatsbibliothek zu Berlin neu katalogisiert und digitalisiert (s.o.); doch auch schon im handschriftlichen Bandkatalog der chinesischen Sammlung findet sich eine deutliche Spur zu dem 41,9 x 98,5 cm messenden Blatt unter dem Titel „Epistola Mandarinorum Ytoury de 31. Octobr. 1716 / Nos Ytoury“. Vor nicht allzu langer Zeit hat zudem Hartmut Walravens das Objekt in seinem Katalog Mandschurische Handschriften und Drucke im Bestand der Staatsbibliothek zu Berlin, VOHD XII,8 (Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2014, S.102/3) beschrieben und weiterführende Literaturhinweise gegeben.

[紅票] = 清聖祖仁皇帝: U ing diyan i jergi be i bithe weilere be i hafan iduri, wang doo hûwa, joocang sei bithe (CC BY-NC-CA, Staatsbibliothek zu Berlin)

Wann genau das Objekt mit der Signatur Libri sin. 165 in den Bestand der Staatsbibliothek zu Berlin gekommen ist, ist nicht bekannt. Heinrich Julius Klaproth, dessen „Verzeichniss“ die direkt nachfolgende Signatur Libri sin. 166 trägt, erwähnt das Objekt nicht; ebenso hat der Katalog von Wilhelm Schott von 1840 es der Aufnahme nicht für würdig befunden. Auch er lieferte keinen vollständigen Katalog der Sammlung.

Man muss zwar immer noch wissen, was man suchen möchte, aber seit nun schon ein paar Jahren ist der „offene Brief“ Kangxis weltweit und mit Originalschrift, Transkription, latinisiertem Titel oder Signatur über den Katalog der Ostasienabteilung (http://crossasia.stabikat.de) oder auch in den Digitalisierten Sammlungen der Staatsbibliothek (http://digital.staatsbibliothek-berlin.de/) aufzufinden und einzusehen, so dass heute gut auffindbare Spuren zum Objekt hinführen.

Brill Asian Studies eBooks, jetzt ab 2007 verfügbar

Wir freuen uns Ihnen mitteilen zu können, dass der Lizenzvertrag mit Brill für die Asian Studies eBook Collection erneuert werden konnte. Sie haben ab sofort wieder Zugang auch zu den aktuellsten Titeln, die in dem Paket veröffentlicht werden. Neu ist zudem, dass wir Ihnen auch den Volltextzugriff auf das Archiv der Asian Studies eBook Collection zur Verfügung stellen können; Sie haben somit Zugriff auf die gesamte Sammlung ab dem Publikationsjahr 2007.

Weitere Informationen zu der Datenbank finden Sie in der Datenbankliste. Direkten Zugriff auf die eBook Collection haben Sie unter: http://erf.sbb.spk-Berlin.de/han/BrillAsiaEBooks.

Newsletter Nr. 12

Liebe Nutzerinnen und Nutzer der CrossAsia-Angebote,

lesen Sie im zwölften Newsletter von CrossAsia zu folgenden Themen:

Ihr CrossAsia-Team

CrossAsia Blog: der Newsletter im neuen Format

Die Welt dreht sich weiter … und daher haben wir uns entschieden, den CrossAsia Newsletter in einem neuen Format erscheinen zu lassen: als Blog. So können wir Sie schneller als bisher über Neuerungen bei CrossAsia informieren, wie neue Services und Datenbanken, besondere Sammlungen und Ausstellungen, aber auch auf ganz akute Themen wie Testzugänge oder Wartungsarbeiten bei Datenbanken hinweisen.

Newsletter und Aktuelles gehen somit im CrossAsia Blog auf. Hier finden Sie in Zukunft zeitnah Informationen zu allen aktuellen – aber auch vergangenen – Entwicklungen bei CrossAsia. Die wichtigsten Beiträge seit dem letzten Newsletter senden wir Ihnen weiterhin in einer eMail als Newsletter zu. Es lohnt sich jedoch auch zwischen drin einmal bei uns vorbeizuschauen. Möchten Sie immer auf dem Laufenden bleiben? Dann abonnieren Sie den Blog doch als RSS-Feed.

Viel Spaß beim Lesen! Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldungen, die Sie mit anderen Nutzerinnen und Nutzern teilen und im CrossAsia Forum zur Diskussion stellen können; oder Sie schreiben uns direkt: x-asia@sbb.spk-berlin.de.

Die Sammlung Unschuld – chinesische medizinische Handschriften in der Staatsbibliothek

Verfasst von Cordula Gumbrecht und Martina Siebert

Wie bereits im Newsletter Nr. 3/2012 berichtet, konnte die Staatsbibliothek zu Berlin vor einigen Jahren die Sammlung Unschuld erwerben, eine Sammlung von 823 chinesischen medizinischen Handschriften, die in das 16. bis in die Mitte des 20. Jhs. datieren (weitere 58 Manuskripte derselben Sammlung sind im Bestand des Ethnologischen Museums, Staatliche Museen zu Berlin).

Jüngst sind nun weitere 121 Handschriften aus dem Bereich der traditionellen chinesischen Humanmedizin sowie 33 tiermedizinische Handschriften hinzugekommen. Wir möchten dies zum Anlass nehmen, die weltweit umfangreichste Sammlung dieser Art hier kurz zu beschreiben und in den Kontext des Sinica-Bestandes der Staatsbibliothek zu stellen.

Der Sammler

Die Handschriften wurden über einen Zeitraum von vier Jahrzehnten durch den Sinologen und Medizinhistoriker Paul U. Unschuld in Ostasien erworben. Prof. Unschuld hatte von 1986 bis 2006 den Lehrstuhl für Geschichte der Medizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München inne und leitet seit 2006 das Horst-Görtz-Stiftungsinstitut für Theorie, Geschichte und Ethik Chinesischer Lebenswissenschaften der Charité Berlin.

Datierung, Provenienz, Autoren

Einzelne Stücke aus der Sammlung sind bis zu 400 Jahre alt (z.B. 小兒推拿秘訹, Slg. Unschuld 8567; 靈樞內經, Slg. Unschuld 8728; 藥性歌訣, Slg. Unschuld 8720), die Mehrheit der Handschriften datiert jedoch in das 19. bzw. 20. Jahrhundert. Die Texte sind regional überwiegend in China zu verorten, einige von ihnen beziehen sich speziell auf Nordchina (鬼子翻語書, Slg. Unschuld 8017; 外科遍正法, Slg. Unschuld 8042; 濟世良方, Slg. Unschuld 8045; 良方集要, Slg. Unschuld 8046). Die Autoren bzw. Schreiber waren Ärzte, Apotheker, Medizinstudenten, Gelehrte, Wanderärzte, Magier, Volks- und Laienheiler und interessierte Privatleute. Die Texte wurden meist für den persönlichen Gebrauch angefertigt und waren in der Regel nicht zur Veröffentlichung bestimmt.

Inhalt

Etwa ein Drittel der Manuskripte sind Exzerpte aus gedruckten Büchern, wobei nur wenige der Autoren Angaben machen, aus welchen Büchern kopiert wurde. Daneben finden sich Zusammenstellungen von Rezepten, Drogenbeschreibungen und anderen therapeutischen Techniken wie Akupunktur und Massage (z.B. 針灸擇要, Slg. Unschuld 8566; 吳氏家藏推拿法, Slg. Unschuld 8350), zum Teil mit persönlichen Kommentaren hinsichtlich ihrer Nützlichkeit. Magische Techniken, Amulette und Beschwörungen bilden einen anderen wichtigen Teil (祝由書, Slg. Unschuld 8650; 法病書, Slg. Unschuld 8554; 道法積中, Slg. Unschuld 8239). Die Sammlung enthält aber auch Texte nicht-medizinischen Inhalts wie Verträge (雜選配本, Slg. Unschuld 8066; 驗方記擇, Slg. Unschuld 8162; 家藏醫藥抄本, Slg. Unschuld 8164, 簡易良方, Slg. Unschuld 8573), Einladungen zu Hochzeiten (總記錄. 萬種囊, Slg. Unschuld 8219), sowie pharmakologische Lehropern (z.B. 草木春秋, Slg. Unschuld 8095).

Der Großteil der Exzerpte aus gedruckten Büchern – keine der Handschriften stellt eine vollständige Kopie eines solchen dar – stammt aus zwei Kategorien von Titeln, zum einen aus Einführungen in die klinische Praxis und deren praktischer Anwendung, zum anderen aus Büchern, die zwar gedruckt wurden, aber in nur wenigen Kopien zirkulierten. Als der meist zitierte Text in den Manuskripten in Berlin lässt sich das Yizong jinjian 醫宗金鑒 („Golden mirror of medicine“) ausmachen (s. Chinese traditional healing : the Berlin collections of manuscript volumes, edited by Unschuld and Zheng, p.4). In diesem enzyklopädisch angelegten Werk hat Wu Qian 吳謙 (1689-1748) Wissen aus allen klinischen Kategorien in einfacher Sprache zusammengestellt. Die Berliner Manuskripte kopieren aus dem Werk zumeist jene Abteilungen, die als am nützlichsten in der therapeutischen Anwendung betrachtet wurden, nämlich: Akupunktur, Pocken, frauentypische Beschwerden, Pädiatrie und Äußere Medizin. In den Manuskripten finden sich auch Exzerpte aus äußerst raren Werken, wie z.B. Gao Rushans 高如山 Xianchuan douzhen qishu 仙傳痘疹奇書 („Extraordinary book on smallpox, transmitted by immortals“) von 1598, das in nur wenigen Exemplaren gedruckt wurde (Slg. Unschuld 48019, Bd. im Besitz des Ethnologischen Museums, Staatliche Museen zu Berlin). Mit der Handschrift Slg. Unschuld 8101 ist der Text des Michuan hou ke 秘傳喉科 („Secretly transmitted laryngology“) erhalten, eines Manuskripts, das in der Familie eines Qing-zeitlichen Spezialisten für Halskrankheiten von Generation zu Generation weitergegeben, aber nie gedruckt wurde, und damit heute ein Unikat darstellt.

Paul U. Unschuld und Zheng Jinsheng haben in ihrem Katalog zur Sammlung (Chinese traditional healing : the Berlin collections of manuscript volumes from the 16th through the early 20th century. Leiden u.a.: Brill 2012, vol. 1, p.17) den Inhalt der 881 Manuskripte wie folgt aufgeschlüsselt: Rezepte bilden mit mehr als einem Drittel aller Titel die größte Kategorie (311 reine Rezeptsammlungen + 36 neben anderem auch Rezepte). Insgesamt sind 52.490 Rezepte verzeichnet. Gefolgt wird diese dominante Gruppe von Titeln zur Pädiatrie, hier speziell zu Pocken, Massage (tuina 推拿) und Ätztherapie (82+3 Titel), zur Puls- und Zungendiagnose (52+9), zu Materia Medica (bencao 本草) (50+13), zur Gynäkologie (52), zur Äußeren Medizin (47+2) etc. Die Dominanz von Rezepten weist auf eine Nutzung durch die Allgemeinbevölkerung hin, denn pharmazeutische Rezepte boten den Vorteil, dass sie direkt angewandt werden konnten, ohne dass erst therapeutische Techniken erlernt werden mussten. Wichtig war einzig, dass die Rezepte aus verlässlicher Quelle stammten. Oftmals wurden Rezepte in Versform geschrieben, da sie so einfacher zu memorieren waren (siehe z.B. 醫方抄本, Slg. Unschuld 8170; 藥性歌括, Slg. Unschuld 8214; 李東垣先生藥性賦, Slg. Unschuld 8226).

Schreibmaterial, Bindung, Formate

Die meisten der Manuskripte sind auf Papier eher schlechter Qualität geschrieben. Seidenpapier, das für Ming-zeitliche Handschriften typische Papier, ist hier eher selten anzutreffen. Die Mehrzahl der Texte findet sich auf dem für die Qing-Zeit typischen Bambuspapier, auf grobem, robustem Papier aus Reisstroh (藥性歌括, Slg. Unschuld 8214) oder auf wahrscheinlich von den Schreibern selbst hergestelltem Papier. Viele der Manuskripte weisen eine primitive Bindung auf, oftmals wurden lediglich Papierfäden durch zwei oder drei Löcher gezogen (z.B. 五官科用藥手册, Slg. Unschuld 8005; 醫藥歌賦, Slg. Unschuld 8008). Das Format beträgt gewöhnlich – in Anlehnung an gedruckte Bücher – 20 bis 25 x 10 bis 15 cm. Einige Manuskripte sind auf langen, zu Leporellos gefalteten Papierbögen geschrieben. Dieses Format war für Wanderärzte und -heiler von größerer Zweckmäßigkeit, da sie leicht auf der gewünschten Seite aufgeschlagen, aber auch entfaltet werden konnten und so schnell als Ganzes erfassbar waren, z.B. im Fall von Arzneimittellisten. Die Titel haben Taschenformat und sind zum Schutz in Schubern aus mit blauem Stoff bezogener Pappe verstaut (z.B. 幼科摘要, Slg. Unschuld 8422). Des Weiteren finden sich unter den Berliner Manuskripten sieben Rollen, ein für medizinische Texte eher seltenes Format (z.B. 醫方卷子之一至之七, Slg. Unschuld 8255-8261).

Was macht die Sammlung so einzigartig?

Die große Mehrheit der Texte zu chinesischer Medizin in chinesischen Bibliotheken sind gedruckte Bücher. Den für den Gebrauch bestimmten medizinischen Handschriften wurde keine große Wertschätzung entgegen gebracht. Auch in chinesischen Antiquariaten trifft man nur sporadisch auf dieses Schrifttum, da auch hier ein vor allem bibliophil orientierter Markt bedient wird. Wenn überhaupt, werden Manuskripte dieser Art an Straßenständen und auf Flohmärkten angeboten. Chinesische Forschung zur traditionellen Medizin arbeitet nach Aussage von Paul U. Unschuld bislang kaum mit Manuskripten, obwohl diese Literatur einer breiteren und vielschichtigen Autorenschaft entstammt als die gedruckte und sie daher einen neuartigen Zugang zur therapeutischen Praxis im traditionellen China ermöglicht.

Katalog, Titelnachweis, weitere Quellen und weiterführende Literatur im Bestand der Staatsbibliothek

Die Sammlung ist bereits erschlossen in dem vom Sammler selbst in Zusammenarbeit mit Zheng Jinsheng herausgegebenen Katalog Chinese traditional healing. The Berlin collections of manuscript volumes from the 16th through the early 20th century. 3 Bde. Leiden u.a.: Brill 2012. Band 1 enthält eine umfassende Einführung in die Sammlung sowie zahlreiche Indizes, u. a. zur einschlägigen Terminologie, Band 2 und 3 geben die genaue Beschreibung der Manuskripte wieder (Mss. 8001-8449 bzw. 8450-48963). Der Katalog kann im Ostasienlesesaal der Staatsbibliothek unter der Signatur OLS Bb OA chin 50 eingesehen werden.

Zudem sind sämtliche Manuskripte im Online-Katalog der Ostasienabteilung nachgewiesen. Die tiermedizinischen Handschriften können mit einer Suche nach „Sammlung Unschuld/Ramey“ gemeinsam aufgerufen werden. Manuskripte mit dem Standortvermerk „Band im Besitz des Ethnologischen Museums, Staatliche Museen zu Berlin“ sind hier ebenfalls nachgewiesen, können jedoch nur im Ethnologischen Museum eingesehen werden.

338 Titel der Sammlung wurden bereits digitalisiert und sind über den Katalog oder direkt in den Digitalisierten Sammlungen der Staatsbibliothek zugänglich.

Die Digitale Sammlung der Staatsbibliothek, CrossAsia und die gedruckten Bestände der Sinica-Sammlung der Ostasienabteilung bieten zahlreiche weitere hilfreiche Ressourcen für die Arbeit mit der Sammlung oder allgemein zur traditionellen chinesischen Medizin. Neben den medizinischen Titeln in Datenbanken wie der Scripta sinica und der Jiben gujiku – beide verfügen über einen Zugriff nach Kategorie, i.e. 子部:醫家 bzw. 哲科庫:醫學類 – bietet CrossAsia auch Zugriff auf Apabi 中医古籍库 : Ancient Books of Traditional Chinese Medicine, eine Datenbank mit 255 Titeln (Drucke und Manuskripte) in über 1.600 Bänden. Titel der Jiben gujiku und Apabi Datenbank können auch direkt über den Ostasien-OPAC recherchiert werden.

An wichtigen digitalisierten Quellen finden sich in der Sinica-Sammlung der Ostasienabteilung folgende zwei rare Werke: Liu Wentai 劉文泰, Bencao pinhui jingyao 本草品彙精要 42 卷, Vorwort 1505, eine illustrierte handschriftliche Pharmacopoeia, verfasst im Kaiserlichen Medizinischen Institut der Ming (Sign.: Libri sin. Hirth Ms. 2, abrufbar in den Digitalen Sammlungen).

Ri Jichin 李 时珍, Bencao gangmu 本草綱目 52巻, [京都] : 野田弥次右衛門寛永 14 [=1637], die erste in Japan gedruckte Ausgabe des Bencao Gangmu mit in Japan geschnittenen Druckstöcken nach einer chinesischen Vorlage (Sign.: Libri sin. 102/107, abrufbar in den Digitalen Sammlungen).

Zu weiterführender Literatur gelangt man in Chinamaxx durch Anklicken der Systemstelle yiyao weisheng 医药卫生 und anschließend der Untergruppe Zhongguo yixue 中国医学 zu 17 Abteilungen innerhalb der chinesischen Medizin, die wiederum jede für sich mehrere hundert Titel versammelt. Im OPAC der Ostasienabteilung lassen sich relevante Titel mittels der Systemstelle für chinesische Medizin R2 und den dazugehörigen Untergruppen der Klassifikation für chinesische Bibliotheken (Zhongguo tushuguan fenleifa 中国图书馆分类法) oder auch mit einschlägigen Schlagwörtern wie zhongyi 中医, zhongyi dianji 中医典籍 etc. finden. Hierfür in der OPAC-Suche „Klassifikation“ bzw. „Alle Wörter“ auswählen.