CrossAsia Newsletter Nr. 13 Dezember 2016

Leihgaben aus der Ostasienabteilung für eine Ausstellung im Kunstgewerbemuseum

Vom 08.07.2016 bis zum 09.10.2016 wird im Kunstgewerbemuseum  (Schloss Köpenick, Berlin) die Ausstellung Lob der Guten Herrschaft. Die Lackkunst des Gérard Dagly im Berliner Schloss zu sehen sein.

Gérard Dagly (ca. 1660–1715), ein Lackkünstler der Barockzeit, wurde im Jahr 1686 vom Großen Kurfürsten nach Berlin gerufen und im Jahr darauf zum Kammerkünstler ernannt. Er gründete alsbald die Berliner Hoflackwerkstatt, die erste ihrer Art in Europa. Daglys zentrales Werk ist der im Berliner Kunstgewerbemuseum erhaltene Münzschrank aus dem Antikenkabinett der königlichen Kunstkammer, ein früher Beleg seiner ernsthaften künstlerischen Auseinandersetzung mit ostasiatischen Vorbildern.

Aus dem Bestand der Ostasienabteilung werden in der Ausstellung Stücke zu sehen sein, die das intellektuelle Umfeld Daglys am Hofe des Großen Kurfürsten widerspiegeln, das auch geprägt war von dessen starkem Interesse für Ostasien und in dessen Büchersammlung sich wohl seit 1674 bereits Sinica befunden haben. Gezeigt werden Vertreter dieser frühen Sinica wie das Ming-zeitliche Zeichenwörterbuch Zihui 字彙 von Mei Yingzuo 梅膺祚, von welchem die Bibliothek ursprünglich drei Exemplare besaß. Deren eines hat Christian Mentzel (1622-1701),  kurfürstlicher Rat und Leibarzt Friedrich Wilhelms und mit der Sinica-Sammlung der Kurfürstlichen Bibliothek betraut,  für sein eigenes neun Foliobände umfassendes Lexicon characteristicum Chinensium von 1698 zeilenweise zerschnitten, aufgeklebt und mit Lesungen und Übersetzungen aus Francisco Diaz‘ Vocabulario de Letra China versehen, ein weiteres (unvollständiges) Exemplar wurde wohl um 1910 ausgesondert. Desweiteren das Christian Mentzel  zugeschriebene Porträt des Großen Kurfürsten von 1685, Mentzels um 1698 entstandener Chinesischer Schlüssel (Clavis Sinica), ein nach Radikalen plus Strichzahl geordneten Verzeichnis chinesischer Schriftzeichen unter Angabe der Aussprache und einer Übersetzung ins Lateinische, nach Mentzel ein Auszug aus Diaz‘ Vocabulario, nebst einem auf der chinesischen Grammatik von Martin Martini (1614-1664) basierenden Text, auf deren Manuskript Mentzel von Philippe Couplet (1623 – 1693) hingewiesen worden war und das er im Jahr 1689 von Andreas Cleyer (1634-1698) aus Batavia erhielt.

Ein Höhepunkt der Ausstellung wird zweifelsohne die Typographia Sinica sein, ein aus massivem Eichenholz gefertigtes Schränkchen, das in zehn schmalen Schubfächern insgesamt 3287 Drucktypen, ca. 2,5 cm3 große Würfel aus Buchenholz, auf deren einer Seite chinesische Schriftzeichen eingeschnitten und auf deren anderer Seite mit Tinte Zahlen aufgetragen sind, enthält. Andreas Müller (um 1630-1694), seit 1667 Probst an der Nikolaikirche in Berlin und Vorgänger Christian Mentzels in der Betreuung der chinesischen Bücher des Großen Kurfürsten, hat sie der Kurfürstlichen Bibliothek bei seiner Verabschiedung aus dem Amt im Jahr 1685 überlassen. Die Typographia Sinica stellt wohl den ersten Versuch dar, in Europa einen Grundstock chinesischer Schriftzeichen herzustellen und ist somit ein beachtenswerter materieller Zeuge der Bemühungen von Gelehrten des 17. Jh. um die chinesische Sprache und Kultur, der nun erstmals seit drei Jahrzehnten wieder in Gänze in einer Ausstellung präsentiert wird.

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Die Suche nach Spuren und Hongpiao 紅票

Vor 300 Jahren, am 31. Oktober des Jahres 1716, ließ der Qing-Kaiser Kangxi von seinem kaiserlichen Druckhaus Wuyingdian circa 300 Exemplare einer Proklamation fertigen und an Ausländer im Lande verteilen – in lateinischer, chinesischer und mandschurischer Sprache geschrieben – markant umrahmt von Drachen mit fünf Klauen und in roter Farbe gedruckt.

Er machte darin klar, jedwede weitere Kommunikation bezüglich des Ritenstreits nicht zur Kenntnis zu nehmen, bis nicht wenigstens einer seiner selbsterwählten jesuitischen Gesandten aus Rom zurückgekehrt und ihm Bericht erstattet habe (für eine Übersetzung der Proklamation siehe den Beitrag auf der Seite des Ricci Institute). David Helliwell, Curator of Chinese Collections, Bodleian Library, wertet das Schreiben auch als Spurensuche nach Kangxis vier Gesandten, die er zehn bzw. acht Jahr zuvor offiziell für Verhandlungen nach Rom entsandt hatte. Jedoch alle vier, Fr. António de Barros, S.J. [龍安國], Fr. Antoine de Beauvollier, S.J. [薄賢士], Fr. Giuseppe Provana, S.J. [艾若瑟] und Fr. José Raimundo de Arxo, S.J. [陸若瑟] sind unterschiedlichen Schicksalsschlägen erlegen und waren schon lange nicht mehr am Leben, als Kangxi sein Hongpiao verbreiten ließ.

Heute nun sind es die Hongpiao selbst, denen sich die Spurensuche von Forschern und Bibliothekaren widmet. Helliwell hat vom Bodleischen Hongpiao ausgehend 2011 begonnen, alle nachgewiesenen Hongpiao in einem Blogeintrag zu versammeln; im gerade erschienen Bibliotheksmagazin der beiden Staatsbibliotheken München und Berlin hat Renate Stephan, Fachreferentin für Ostasien in der Bayerischen Staatsbibliothek, in ihrem Beitrag nun das Münchner Exemplar gewürdigt (S.32-36). Das Berliner Hongpiao wurde bereits 2013 im Rahmen eines DFG geförderten Digitalisierungsprojektes der alten Ostasiensammlung der Staatsbibliothek zu Berlin neu katalogisiert und digitalisiert (s.o.); doch auch schon im handschriftlichen Bandkatalog der chinesischen Sammlung findet sich eine deutliche Spur zu dem 41,9 x 98,5 cm messenden Blatt unter dem Titel „Epistola Mandarinorum Ytoury de 31. Octobr. 1716 / Nos Ytoury“. Vor nicht allzu langer Zeit hat zudem Hartmut Walravens das Objekt in seinem Katalog Mandschurische Handschriften und Drucke im Bestand der Staatsbibliothek zu Berlin, VOHD XII,8 (Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2014, S.102/3) beschrieben und weiterführende Literaturhinweise gegeben.

[紅票] = 清聖祖仁皇帝: U ing diyan i jergi be i bithe weilere be i hafan iduri, wang doo hûwa, joocang sei bithe (CC BY-NC-CA, Staatsbibliothek zu Berlin)

Wann genau das Objekt mit der Signatur Libri sin. 165 in den Bestand der Staatsbibliothek zu Berlin gekommen ist, ist nicht bekannt. Heinrich Julius Klaproth, dessen „Verzeichniss“ die direkt nachfolgende Signatur Libri sin. 166 trägt, erwähnt das Objekt nicht; ebenso hat der Katalog von Wilhelm Schott von 1840 es der Aufnahme nicht für würdig befunden. Auch er lieferte keinen vollständigen Katalog der Sammlung.

Man muss zwar immer noch wissen, was man suchen möchte, aber seit nun schon ein paar Jahren ist der „offene Brief“ Kangxis weltweit und mit Originalschrift, Transkription, latinisiertem Titel oder Signatur über den Katalog der Ostasienabteilung (http://crossasia.stabikat.de) oder auch in den Digitalisierten Sammlungen der Staatsbibliothek (http://digital.staatsbibliothek-berlin.de/) aufzufinden und einzusehen, so dass heute gut auffindbare Spuren zum Objekt hinführen.