Informations- und Beschaffungsreise nach Japan

Eingang zur Tôshokan Sôgôten in Yokohama (Staatsbibliothek zu Berlin-PK/Ursula Flache)

Vom 4. bis zum 17. November unternahm Frau Ursula Flache, Fachreferentin für Japan, eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Informations- und Beschaffungsreise nach Yokohama und Tôkyô. Zunächst nahm sie an der dreitägigen Toshokan Sôgôten (図書館総合展, Library Fair & Forum 2018) in Yokohama teil, eine Veranstaltung vergleichbar mit dem Bibliothekartag,  und hörte Vorträge zu aktuellen Entwicklungen im japanischen Bibliothekswesen wie den neuen Angeboten der National Diet Library (NDL) oder der nächsten Generation von Online Repositorien. Die Toshokan Sôgôten umfasst auch einen Messeteil, auf dem sich sowohl Bibliotheken, Archive und andere Informationseinrichtungen als auch Verlage, Bibliotheksausstatter und Datenbankanbieter präsentieren. Im Rahmen der Toshokan Sôgôten sondierte Frau Flache das Titelangebot der dort vertretenen Verlage und führte mit den Datenbankanbietern der großen, japanischen Tageszeitungen, mit denen Lizenzen für CrossAsia bestehen, Gespräche hinsichtlich neuer geplanter Inhalte, die für die nächste Förderphase des Fachinformationsdienstes (FID) Asien interessant sein könnten.

Impression aus Jinbôchô (Staatsbibliothek zu Berlin-PK/Ursula Flache)

Die verbleibende Zeit der Reise verbrachte Frau Flache in Tôkyô und hier vornehmlich im Buchhändlerviertel Jinbôchô. Die Mehrheit der dort ansässigen Buchläden und Antiquariate hat sich auf bestimme Themengebiete spezialisiert, so dass ein gezielte Marktsichtung möglich ist. Frau Flache nutzte den Aufenthalt im Jinbôchô für die Erwerbung von älteren Titeln zur Anime- und Manga-Forschung, da diese Bereiche in der Vergangenheit nur in begrenztem Umfang beim Bestandsaufbau berücksichtigt worden waren. Außerdem wurden mit den Lieferanten, die das Japan-Referat zur Buchbeschaffung nutzt, Fragen zu aktuellen Bestellungen und Angeboten geklärt. An einem Nachmittag gab es zudem ein Treffen mit acht Verlagen, die ausgewählte Titel aus ihrem Programm gemäß dem FID-Sammelschwerpunkt Geistes- und Sozialwissenschaften präsentierten.

Neben Printmedien standen aber vor allem Gespräche zu elektronischen Ressourcen auf dem Programm. Mit mehreren Datenbankanbietern wurde hinsichtlich der Lizenzierung weiterer Inhalte verhandelt. Erfreulicherweise wird ab April 2018 die umfassende Gedichtsammlung 新編国歌大観(角川学芸出版) (Shinpen kokka taikan (Verlag Kadokawa Gakugei)) über die Datenbank JapanKnowledge zu Verfügung stehen. Darüber hinaus besteht die Hoffnung, dass in Zukunft auch japanische eBooks über die CrossAsia Plattform angeboten werden können. Wir werden berichten sobald sich das Angebot konkretisiert.

National Diet Library, Tôkyô (Staatsbibliothek zu Berlin-PK/Ursula Flache)

Bei einem Besuch der National Diet Library (NDL) tauschten sich Frau Flache und die dortigen KollegInnen zum einen zu Fragen des Internationalen Amtsdruckschriftentausches aus und zum anderen gab es ein Informationsgespräch zum Stand der Dinge bei der Revision des japanischen Urheberrechts. Bisher ist es nur japanischen Bibliotheken möglich am so genannten Sôshin Sâbisu der NDL teilzunehmen, was einen erweiterten Zugang zu den digitalen Sammlungen der NDL bedeutet. Schon länger gibt es auch von ausländischen Bibliotheken und Nutzern den Wunsch, dieses Angebot nutzen zu können. Dazu ist jedoch eine Änderung des Urheberrechtsgesetzes notwendig. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wurde bereits vom Bunkachô eingebracht und im März 2017 bat das Bunkachô via Internet die Öffentlichkeit um Meinungen zu dem Gesetzesvorhaben. Diesen Aufruf verbreitete das CrossAsia Team auch in der japanologischen Fachcommunity auf deutscher und europäischer Ebene, um ein möglichst starkes Signal an die japanische Seite zu senden. Die Ergebnisse des Aufrufs sind inzwischen im Internet veröffentlicht. Im Herbst kam es zu einer vorzeitigen Auflösung des japanischen Parlaments gefolgt von vorgezogenen Neuwahlen am 22. Oktober 2017, wodurch das Vorhaben zunächst zum Stillstand kam.  Es stellte sich daher die Frage, wie es mit dem neuen Zeitplan für die Gesetzesänderung zum Urheberrecht aussieht. Im Gespräch mit der NDL erfuhr Frau Flache, dass der Gesetzgebungsprozess glücklicherweise an der Stelle fortgesetzt wird, an der das Verfahren derzeit zum Stehen gekommen ist. Sobald das Parlament seine Arbeit wieder aufnimmt, steht zunächst die Verabschiedung des Haushalts an. Dies wird voraussichtlich bis ca. Ende März 2018 dauern. Erst danach wird sich das Parlament anderen Gesetzesvorhaben widmen, d.h. die Revision des Urheberrechts wird nicht vor Sommer 2018 in Angriff genommen werden. Wenn hoffentlich das Gesetz angenommen wurde, müssen noch die eigentlichen Regelungen beschlossen werden und die NDL die praktische Organisation festlegen. Voraussichtlich werden die ausländischen Bibliotheken den gleichen Bedingungen unterliegen, wie jetzt schon die japanischen Bibliotheken. Die KollegInnen der NDL berichteten darüber hinaus, dass das Bunkachô sehr überrascht gewesen sei über das Echo auf den öffentlichen Aufruf den Gesetzentwurf zu kommentieren. Von den ca. 400 eingegangenen Kommentaren sei gut die Hälfte aus dem Ausland gekommen und dabei sehr viele aus Deutschland. Die Wünsche und Bedürfnisse der Japanwissenschaft im Ausland wurden also dort sehr wohl wahrgenommen.

Während der Reise kam es außerdem zu einem Treffen mit Vertretern der Ôtsukakai (Ôtsuka-Vereinigung). Ôtsuka Kinnosuke (大塚金之助, 1892-1977)  war ein Wirtschaftswissenschaftler marxistisch-leninistischer Prägung an der Hitotsubashi Universität, der sich auch als Dichter einen Namen gemacht hatte. Zwischen 1962 und 1985 ließen Prof. Ôtsuka beziehungsweise seine Witwe der Deutschen Staatsbibliothek in Ost-Berlin sechs Schenkungen mit mehreren tausend japanischen Büchern und Zeitschriftenheften zukommen, die dort gesammelt als die so genannte „Bibliothek Otsuka“ aufgestellt wurden. Diese Sondersammlung befindet sich heute in der Verwaltung der Ostasienabteilung. Die Ôtsukakai widmet sich der Pflege des Andenkens an Leben und Werk von Prof. Ôtsuka. Unter den Mitgliedern sind auch noch einige seiner ehemaligen Schüler.

Tôkyô Universität, Container mit Büroräumen neben der im Umbau befindlichen zentralen Universitätsbibliothek (Staatsbibliothek zu Berlin-PK/Ursula Flache)

Schließlich hatte Frau Flache noch einen Termin zur Besichtigung der Hauptbibliothek der Tôkyô Universität. Diese wird derzeit im Rahmen des „New Library“-Projekts umfassend umgebaut und renoviert. Die automatische Regalanlage im neuen Tiefmagazin ist bereits fertig gestellt und der ebenfalls neu eingerichtete so genannte Library Plaza, ein in hellem Holz ausgekleideter, kreisförmiger Gruppenarbeitsraum, wird während der laufenden Umbauphase noch als Lesesaal für die Stillarbeit genutzt. Nach der Renovierung sollen in der obersten Etage des Bibliotheksgebäudes die Asien-Bestände sämtlicher Teilbibliotheken der Tôkyô Universität vereinigt werden und als zentrale Arbeits- und Forschungsbibliothek dauerhaft zur Verfügung stehen. Die dafür notwendigen Vorbereitungen erfolgen im Rahmen des „Uehiro Project for the Asian Research Library“, zu welchem Frau Flache eine Einführung erhielt.